Analoge Fotografie und Panoramen Wim Wenders im Düsseldorfer Museum Kunstpalast
DÜSSELDORF · Als Panoramakünstler und Freund der analogen Fotografie präsentiert sich Wim Wenders im Düsseldorfer Museum Kunstpalast. Die Ausstellung "4 Real & True 2" ist bis zum 30. August zu sehen.
Hier ein Straßenbild, das wie aus einem Gemälde des sehr geschätzten und emotional dem Kino verbandelten Edward Hopperabfotografiert scheint, dort der mehrere Meter breite fotografische Schwenk über ein Weizenfeld mit einem einfachen Holzhaus irgendwo im Westen der USA - auch das eine Annäherung an einen US-Maler, Andrew Wyeth: Wim Wenders sieht die Welt durch die Brille der Kunst, durch die Augen der Maler. Was ihn aber in erster Linie an der Fotografie interessiere, schreibt der Regisseur im Essay "Nicht außer 8 lassen was es alles gibt", sei, "dass ich in ihr nicht mehr und nicht weniger sehe als: 'Das gibt es also!'"
Schleppende Begeisterung für den neuen Film
Vielleicht ist es gerade das, was die vielen Besucher suchen, wenn sie sich an einem Sonntagnachmittag im Düsseldorfer Museum Kunstpalast in Trauben vor den Fotografien aus mehr als drei Jahrzehnten drängen. Gerade noch ging Wenders' Lamento über die schleppende Begeisterung für seinen neuesten Film "Every Thing will Be Fine" durch die Presse. Angewidert vom aktuellen Mainstream-Kino, das "fast nur von Tempo bestimmt" sei, sagte er: "Da kann man ein einzelnes Bild oft kaum erfassen, da wird schon wieder weggeschnitten. Das ist oft eher eine Überrumpelungstechnik als eine Erzähltechnik."
Hier in Düsseldorf hat er nun sein begeistertes Publikum und alle Zeit der Welt, seine mal opulenten, mal kargen, aber immer inhaltlich aufgeladenen Bildepen zu erzählen - und er kann es auf eine Weise tun, die er sich im filmischen Brotberuf nicht erlauben darf. Der Pionier des digitalen Kinos ist in der Fotografie ein Freund der alten Schule. Wenders arbeitet analog und thematisiert und verteidigt das auch breit: Die digitale Technik "hat keine sonderliche Lust an der Wirklichkeit; sie bietet ja unendliche Möglichkeiten, diese permanent hinter sich zu lassen."
Keine digitale Trickserei
Wenders mag keine digitale Trickserei, wie sie etwa sein ausdrücklich bewunderter Fotografenkollege Andreas Gursky in Perfektion praktiziert. Wenders bleibt analog, greift aber - wie Gursky auch - zum Trick des Formats. Jedes Bild wirkt intensiver, das Motiv monumentaler, stellt es sich dem Betrachter als physischer Gegenpart ins Blickfeld.
Wenders beeindruckende Panoramen aus Montana und West-Australien, aus Texas und vom See Genezareth, aus dem japanischen Onomichi und dem Bambusdschungel von Nara fesseln den Betrachter auch über deren Ausmaße. Die suggestive Wirkung des langgestreckten Querbilds kennt der Kinomann Wenders von der Technik und Suggestionskraft des Cinemascope.
Erfahrung als Regisseur spürbar
Überhaupt lässt sich in der Ausstellung "4 Real & True 2" auf Schritt und Tritt der erfahrene Regisseur spüren, der einen Blick für gute, aussagekräftige, atmosphärische und spannende Locations hat, der es gewöhnt ist, mit Bildern Geschichten zu erzählen. Wenders gibt vielen Fotos schriftliche Erklärungen, Einordnungen oder tagebuchartige biografische Hinweise mit und entreißt sie so dem Status des austauschbaren Schnappschusses. Sie sind authentisch, objektiv und privat zugleich. Und wer genau hinsieht, bemerkt in vielen Details, in der Perspektive, in der Farbigkeit, im Spiel mit meteorologischen Stimmungen den akkurat komponierenden Maler in Wenders. Doch wirkt nichts konstruiert.
Klassischer Dokumentarstil
So sehr er sich in "schönen" Bildern verliert, sosehr verfolgt Wenders gleichzeitig auch einen ebenso klassischen Dokumentarstil. Da geht es um allerlei Schriften und bizarre Fundstücke wie ein Autokino in der Wüste, eine Schrotthalde zu Füßen Jerusalems oder koloniale Fassadendetails aus Havanna. Das künstlerische Moment und der dokumentarische Impetus fließen in dem eindrucksvollsten Raum der Schau zusammen.
Am 8. November 2001 schoss Wenders früh am Morgen auf dem Trümmerfeld des Ground Zero Bilder, die man nicht vergessen kann und die ihn nahe an sein Idol Sebastião Salgado führen, dem er sein oscarnominiertes Meisterwerk "Das Salz der Erde" gewidmet hat.
Museum Kunstpalast, Düsseldorf; bis 30. August. Di-So 11-18, Do bis 21 Uhr. Katalog (Schirmer/Mosel) 29,80 Euro