Wird Schlingmann Nachfolgerin von Weise?

BONN · Die Entscheidung ist ganz nah, vielleicht ist sie sogar schon gefallen: Dagmar Schlingmann, Generalintendantin des Saarländischen Staatstheaters Saarbrücken, hat beste Chancen, Nachfolgerin von Klaus Weise in Bonn zu werden.

Wird Schlingmann Nachfolgerin von Weise?
Foto: André Mailänder

Schlingmann ist Wunschkandidatin in Bonn. Sie verhandele in "guten und intensiven Gesprächen" über die Bedingungen, unter denen sie bereit wäre, ab der Spielzeit 2013/14 als Generalintendantin ans Theater Bonn zu wechseln, sagte Schlingmann Donnerstag. In der nächsten Woche werde die Entscheidung in Sachen Generalintendanz öffentlich gemacht, hieß es aus dem Presseamt. Allerdings hat sich Schlingmann bereits bei den Fraktionen vorgestellt.

"Wenn Bonn sich bewegt, bewegt sich auch Frau Schlingmann. Wenn Bonn richtig verhandelt, ist sie weg", sagte Donnerstag eine intime Kennerin der Kulturszene in Saarbrücken. Verhandeln worüber? Es geht im Kern um die Summe von 3,5 Millionen Euro, die laut einem Ratsbeschluss ab der Spielzeit 2013/14 im Etat von Oper und Schauspiel in Bonn eingespart werden sollten. Für Klaus Weise war deshalb im Juli 2011 eine Grenze überschritten.

Die Absicht seines Arbeitgebers, der Stadt Bonn, bedeute für ihn eine Entwicklung, die er nicht mittragen wolle, erklärte der Intendant. "Die Stadt will die 3,5 Millionen. Ob die im Theater zu realisieren sind oder nicht, ist nicht geprüft. Ich sage, nur mit schwersten Verlusten, und dazu stehe ich nicht zur Verfügung." Weise fühlte sich von den Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung im Stich gelassen: "Man verteidigt die Kultur nicht mehr." Damit kündigte er seinen Abschied im Jahr 2013 an.

Dagmaer Schlingmann kennt das Rheinland

Zuvor hatte Weise einen Plan erarbeitet, der aus seiner Sicht geringere, aber praktikable Einsparungen enthielt. Mit seinem Vorschlag stieß Weise auf wenig Resonanz. Jetzt sind die Verhandlungsführer Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch und Kulturdezernent Martin Schumacher offenbar bereit, Schlingmann entgegenzukommen. Daraus lernt man, dass Weise zumindest bei Nimptsch und Schumann keine Chancen hatte. Zum anderen kann eine Kulturstadt wie Bonn es sich nicht leisten, einen neuen Intendanten mit einer 3,5-Millionen-Euro-Bürde zu belasten. Dann bekäme man keine Qualität.

Dagmar Schlingmann, Jahrgang 1960, studierte Theaterwissenschaft, Germanistik und Philosophie an der Universität zu Köln. Sie kennt das Rheinland, scheint wie geschaffen für Köln-Bonner Kulturkooperationen, die Jürgen Nimptsch immer wieder ins Gespräch gebracht hat. Seit 1986 arbeitet die in Kempen am Niederrhein geborene Schlingmann als Regisseurin und inszenierte unter anderem in Köln, Kassel, Luxemburg, am Theater St. Gallen und in Saarbrücken.

In der Zeit zwischen 1998 und 2001 leitete sie als Schauspieldirektorin die Sprechtheatersparte am Landestheater Linz, ehe sie von 2001 bis 2006 als Intendantin am Stadttheater Konstanz wirkte. Seit Beginn der Saison 2006/2007 ist sie Generalintendantin des Saarländischen Staatstheaters Saarbrücken, an das sie sich bis 2015/16 gebunden hat. Sie kennt Kostendruck, hat moderne Arbeitsstrukturen geschaffen und ist für Kooperationen mit Luxemburg, Thionville und Lüttich offen.

Diskretion gehört zum Geschäft

Bei ihrem Amtsantritt in Saarbrücken musste und wollte Schlingmann sparen. Ihr Vorgänger Kurt Josef Schildknecht hatte 2006 sein Haus nach einem lange anhaltenden Streit um Etat-Kürzungen verlassen. Wie man heute weiß, setzte Schlingmann die Sparvorgaben um. Andererseits kam ihr die Stadt Saarbrücken in einigen Bereichen entgegen, so dass sich das Einsparvolumen reduzierte. Die Geschichte könnte sich so oder ähnlich in Bonn wiederholen. Zumal sich Schlingmann bei der Vorstellrunde bei den kulturpolitischen Sprechern der Bonner Ratsfraktion durchaus offen für Spaßmaßnahmen gezeigt habe, wie zu erfahren war. Aber man habe Gesprächsbereitschaft in Sachen Sparen signalisiert, hört man aus Politikerkreisen.

Aus dem Bonner Stadthaus verlautet zu Absprachen mit der möglichen künftigen Intendantin nichts Offizielles. Über Sparzwänge erst recht nicht. Stadtsprecherin Monika Hörig lehnt jede Stellungnahme "zu Vertragsverhandlungen" ab.

Schlingmann hat die Theaterkritik in Saarbrücken als Regisseurin nach und nach überzeugt. Sie schätze in ihrem Ensemble "schräge Typen", konnte man erfahren, und betrachte ihre Theaterwelt wie einen großen Familienverbund.

Hört man in die Bonner Kultur hinein, erhält man angesichts der Personale Schlingmann vorhersehbare Reaktionen zwischen freudiger Erwartung und kühler Distanz. Die Vereinigungen der Bonner Theaterfreunde, die Opernfreunde und die Freunde der Kammerspiele, wären gerne an der Entscheidung beteiligt worden. In einem Brief an den Oberbürgermeister kritisieren sie die Geheimdiplomatie - wohl wissend, dass sich zukünftige Intendanten nicht wie Universitätsprofessoren im Rahmen von öffentlichen Auftritten vorstellen. Diskretion gehört zum Geschäft.

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