Premiere im Schauspiel Bad Godesberg: „Der Haken“ Wohnungssuche zwischen Tragik und Komik

Bonn · Mit „Frau Müller muss weg“ machten die Autoren Sarah Nemitz und Lutz Hübner auf sich aufmerksam. Nun also „Der Haken“: Das Theaterstück seziert gesellschaftliche Probleme zwischen Wohnungsnot und Vereinsamung. Aber im Schauspiel Bad Godesberg darf bei der Premiere auch gelacht werden.

 Eine Wohnung, viele Bewerber – und eine Besonderheit: Szene aus einer Probe zu „Der Haken“.

Eine Wohnung, viele Bewerber – und eine Besonderheit: Szene aus einer Probe zu „Der Haken“.

Foto: Thilo Beu

Wohnungsnot und Vereinsamung sind die beiden zentralen Themen der neuen Tragikomödie „Der Haken“, die am Freitag in der Regie von Roland Riebling im Schauspielhaus Bad Godesberg uraufgeführt wird. Das Stück aus der Feder von Sarah Nemitz und Lutz Hübner, die unter anderem auch für das von Sönke Wortmann verfilmte „Frau Müller muss weg“ verantwortlich sind, könnte somit in jeder deutschen Großstadt spielen – das Autorenpaar hat es aber nach Bonn verlegt.

„Man hat uns gesagt, dass die Wohnungssituation hier auch sehr desolat sei“, sagen die beiden im Interview mit dem General-Anzeiger. „Wir selbst leben ja in Berlin-Kreuzberg, und hier hört man kein Gespräch, bei dem nicht irgendwann die verzweifelte Suche nach einer bezahlbaren Wohnung aufkommt. Gleichzeitig war es uns wichtig, die Geschichte von jemandem zu erzählen, der trotz der üblichen Altersgebrechen weiterhin zu Hause wohnen möchte – und es auf Wunsch seines nächsten Angehörigen auch soll.“

Top-Lage mit Bedingung

Diese zweite Handlungsebene wird aber erst nach und nach offen gelegt. „Der Haken“ beginnt stattdessen mit der Besichtigung einer Wohnung in Top-Lage mit einem überaus reizvollen Mietpreis. Klar, dass verschiedene Gestalten Interesse haben: „Wir haben uns bemüht, ein breites Spektrum von Typen zu schaffen“, erklärt Hübner. „Das reicht vom erfolgreichen Unternehmer, der sich auch eine teurere Wohnung leisten könnte, aber auf der Jagd nach einem Schnäppchen ist, bis hin zu zwei Altenpflegerinnen, die seit Monaten nach einer Bleibe suchen und nicht wissen, wo sie sonst hingehen sollen. Viele der Anregungen zu diesen Figuren stammen von einem Bekannten, der in Berlin solche Wohnungsbesichtigungen durchführt und der schon alles erlebt hat, von dem Paar, das nur noch zusammenlebt, weil keiner von ihnen etwas Eigenes findet, bis hin zu dem Neureichen, der mit einem Bündel Geldscheinen wedelt, um den Zuschlag zu kriegen.“

Wenn das Tragische ins Komische kippt

Und dazwischen all jene, bei denen es im wahrsten Sinne des Wortes um die Existenz geht. „Das Problem der Knappheit bezahlbaren Wohnraums ist riesig und betrifft immer mehr Menschen“, sagt Nemitz. „Deshalb gehört es meiner Meinung nach auch zwingend ins Theater. Wir haben uns gefragt, wozu Bürgerinnen und Bürger bereit sind, um eine Wohnung zu bekommen – und ob sie sich zum Beispiel auch um einen dementen Mann in der oberen Etage kümmern würden.“

Das nämlich ist er, der Haken: Der vermeintliche Makler entpuppt sich im Laufe der Handlung als Neffe des oben wohnenden Besitzers Benedict Goldmann und möchte diesen gut versorgt wissen. Dieses Mehrgenerationen-Prinzip kommuniziert er jedoch nicht offen, sondern als versteckte Bedingung, die Bewerber für die Wohnung austestend und diese mit seinen scheinbar irrationalen Fragen zunehmend verwirrend. Gleichzeitig will sich keiner – trotz aller Skepsis – das vermeintliche Schnäppchen durch die Lappen gehen lassen. „Die Interaktionen zwischen den Figuren sorgen für allerlei Szenen, in denen das Tragische ins Komische kippt“, so Hübner. Und umgekehrt. „Wir lieben diesen Kontrast, der die zentralen Botschaften umso stärker herausstellt.“ Eben die Wohnungsnot. Aber auch die Not jener, die einer besonderen Aufmerksamkeit oder Pflege bedürfen, aber dennoch in ihren eigenen vier Wänden bleiben möchten.

So wie Goldmann. Ob er am Ende erhört wird? Dazu schweigen Hübner und Nemitz. Und verweisen auf die Bonner Inszenierung.

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