Wolf Biermann liest und singt im Haus der Geschichte

Der Liedermacher und Lyriker begeistert mit einem komplexen Klangbild der BRD-Geschichte

Wolf Biermann liest und singt im Haus der Geschichte
Foto: Franz Fischer

Bonn. Sporthalle Köln, 13. November 1976. Wolf Biermann gibt sein legendäres Konzert im Westen, das seine Ausbürgerung zur Folge haben wird.

Dieses Konzert sei ein Ereignis gewesen, das die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit anzog wie die Mondlandung, sagte Karin Hempel-Soos in ihren einführenden Worten zur (Konzert-)Lesung mit Wolf Biermann im Haus der Geschichte.

Gut besucht war die Veranstaltung; der heute 72-jährige Wolf Biermann ist noch immer ein Magnet. 60 Jahre Bundesrepublik Deutschland - die Zuhörer, die nach der Lesung nach Hause gingen, nahmen ein komplexes Klangbild der BRD-Geschichte mit nach Hause.

Biermann gab Gedichte aus seinem neuen Band: "Berlin, du deutsche deutsche Frau" (2008), zum großen Teil singend und wie gewohnt mit der Gitarre begleitend, zum Besten. Das Buch beinhaltet eine Auswahl von Gedichten über die Stadt, zusammengestellt von seiner Frau Pamela.

"Warum gibt es von dir eigentlich kein Berlin-Buch?", hatte sie während eines Spaziergangs durch Berlin spontan gefragt und sich ans Werk gemacht. "Ich habe mich aus meinen eigenen Angelegenheiten herausgehalten", so Biermann ironisch-lakonisch. Die Sichtweise einer jüngeren Person, und dann noch eines "Westmädchens", sei doch vielleicht viel spannender.

Witz, Ironie, Melancholie, Nachdenklichkeit. So war Wolf Biermann während des Abends wieder zu erleben. Mit einer gehörigen Prise Selbstironie dazu, indem er seine eigene Poesie belächelte. Immerhin umfassen die Gedichte eine Spanne von 46 Jahren (1962 bis 2008). Das Titelgedicht ist eines seiner ersten überhaupt gewesen. "Im Westen steht die Mauer/Im Osten meine Freunde stehn" heißt es darin.

Das Wort "Mauer" sei verboten gewesen in der DDR, erzählt der Liedermacher. "So leicht konnte man zum Helden werden." "Vereinsamt war ich nie", schreibt er im Vorwort zu seinem Berlin-Buch. "Ein wunderbares Paradox: Grade in den harten Jahren des totalen Verbots war ich der vielleicht am wenigsten isolierte Mensch in Ostberlin. So lebte ich quicklebendig und frohverzweifelt in meiner Höhle Chausseestraße 131."

Freundschaften bilden folglich sein zentrales Thema, so in der berühmten "Ermutigung" für Peter Huchel (das Gedicht ist in dem Buch nicht enthalten), in dem Totenlied "Jürgen Fuchs", der viel zu jung an Blutkrebs verstarb (vermutete Ursache: "stummes Erschießen" durch Gamma-Strahlen in der Stasi-Haft), und in "Rencontre à Paris", das er dem "zerfreundeten" Dokumentarfilm-Regisseur Jürgen Böttcher widmet.

Das "Voltaire-Chanson" aus dem Jahre 2008 ist, anders als von Biermann erwähnt, doch veröffentlicht: in genau dem Berlin-Buch. "Was das Herz bewegt, prägt sich dem Gedächtnis ein." Viel Bewegendes hat Biermann erlebt, so dass er kaum ein Ende finden kann.

Wolf Biermann: Berlin, du deutsche deutsche Frau. Gedichte. Hoffmann und Campe. 120 S., 17,95 Euro.

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