"Zieht den Stecker-Tour" Wolfgang Niedecken mit BAP und Bekenntnissen in der Kölner Philharmonie

KÖLN · Wer die Fünfzig überschritten hat, weiß den Komfort eines bestuhlten Konzertsaales zu schätzen - zumal dann, wenn mit einer Auftrittslänge von satten drei Stunden zu rechnen ist.

 Gänsehaut-Feeling bis "Sendeschluss": Wolfgang Niedecken begeistert mit BAP und weiteren Musikern in der Kölner Philharmonie.

Gänsehaut-Feeling bis "Sendeschluss": Wolfgang Niedecken begeistert mit BAP und weiteren Musikern in der Kölner Philharmonie.

Foto: Schmülgen

"Vor ein paar Jahren hätten wir euch das noch nicht zugemutet", scherzte BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken in der voll besetzten Philharmonie, wo er an drei Abenden im Rahmen der "Zieht den Stecker"-Tour mit seiner Band zu Gast war.

Inzwischen ist einiges passiert. 2011 hat ihn ein Schlaganfall vorübergehend außer Gefecht gesetzt. Er hat ihn optisch unbeschadet überstanden, aber die Krankheitserfahrung hat eine Zäsur in seinem Leben gesetzt, die auch in musikalischer Hinsicht spürbar ist.

"Niedeckens BAP" gibt sich bei den lange geplanten und ersehnten Akustikkonzerten der aktuellen Tournee merklich entschleunigt und angenehm tiefenentspannt; Der 63-jährige Chef selbst kehrt, zumal im ersten Teil des üppigen Programms, seine nachdenkliche Seite nach außen.

"Höösch" lässt er es angehen bei der melancholischen Ballade "Noh all dänne Jahre"; Titel wie "Für 'ne Moment", "Zosamme alt", "Bahndamm" und "Paar Daach" bekommen im Hinblick auf die Ereignisse der vergangenen Jahre eine ganz eigene Bedeutung. Die Fans in den bequemen Polstersesseln, fast alle über fünfzig, hören konzentriert zu, und Niedecken kann sich von einer Welle der Sympathie getragen fühlen, wenn er das Leben "zwischen Start und Ziel" besingt.

Dann aber dreht er musikalisch auf, und man darf staunen, wie seine fabelhaften Begleitmusiker Songs aus der 37-jährigen Bandgeschichte neu eingekleidet haben - ohne schnelle Beats und fetten Gitarrensound, aber mit Elementen aus Folk-, Country- und Weltmusik. Jürgen Zöller (Schlagzeug), Michael Nass (Keyboard) und Werner Kopal (Bass) gehören zur Stammbesetzung, die durch die Multiinstrumentalistin Anne de Wolff (Geige, Cello, Posaune, indisches Harmonium), Ulrich Rode (Pedal-Steel-Gitarre und diverse Zupfinstrumente) und den marokkanischen Percussionisten Rhani Krija ergänzt wurde.

Krija setzte sich mit diversen Soli nachdrücklich in Szene und gab dem ein oder anderen Lied ein charmant orientalisiertes Kolorit. Jeder konnte sich wiederfinden bei diesem abwechslungsreichen Parcours durch das musikalisch aufgefrischte BAP-Repertoire, in dem man Magdalena, Lisa, Lena, Rita und Jupp wiederbegegnete und Niedecken sich demütig vor "all den Aureblicke" verbeugte.

Bei "Autobahn" ging erwartungsgemäß die Post ab; Betroffenheit breitete sich bei "Noh Gulu" aus, einem Lied, das das Bürgerkriegselend in Uganda beschreibt. Eine vergessene Perle ist die Gastarbeiter-Hymne "Neppes, Ihrefeld un Kreuzberg". Den Verzicht auf "Verdamp lang her" aber würde sich wohl kein Fan bieten lassen - kurz vor 23 Uhr gibt Niedecken den erfolgreichsten aller BAP-Klassiker zum Besten.

Da hält es die Zuhörer nicht mehr auf den Stühlen; bei "Babylon" darf sogar geschunkelt werden. Im ausgedehnten Zugabenteil bekommt man auch "Du kanns zaubre" zu hören. Niedecken nutzt das Gänsehaut-Feeling, das sich bei dieser Nummer verlässlich ausbreitet, und setzt mit "Sendeschluss" noch eins drauf, bevor die Zuhörer zu später Stunde restlos zufrieden von dannen ziehen.

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