"Wortsetzung folgt" im Krea-Theater

SWISTTAL-MORENHOVEN · Ken Bardowicks und Lupe-Preisträger Marcus Jeroch setzen die finalen Akzente im Morenhovener Krea-Theater.

Das ist einer dieser Momente, in denen man seine Gesichtszüge unter Kontrolle halten muss. Irgendwie. Trude Herr, Wolfgang Niedecken und Tommy Engel singen "Niemals geht man so ganz", und die Zuschauer im Morenhovener Krea-Theater schwenken zum Abschied Dutzende Tempotücher mit der Aufschrift "Tschö". Nun ist also endgültig Schluss: Anfang 2012 wird ein Teil der Alten Schule an der Vivatsgasse abgerissen, um seniorengerechten Wohnungen Platz zu machen.

Anschließend können sich die Kreativitätsschule und die daraus hervorgegangene Initiative KuSS (Kultur und Spektakel im Swisttal) in dem noch verbliebenen Teil des derzeit stark renovierungsbedürftigen Gebäudes neu einrichten. Da der Umbau bis zur Saison 2012 wohl noch nicht fertig sein wird, ist bei den 25. Kabarett-Tagen Improvisation gefragt. Aber damit kennt sich das Team schließlich aus, das im Januar noch eine zünftige Abrissparty feiern will, um Teile der Plakatwand im Foyer ähnlich der Berliner Mauer bei einer Versteigerung unters Volk zu bringen.

20.000 Besucher hat Klaus Grewe vom KuSS-Vorstand in den 24 Jahren gezählt; viele davon mehrfach. Und viele davon werden auch an diesem letzten Wochenende dabei gewesen sein, als Ken Bardowicks am Freitag sein Publikum mit feinsinniger Komik verzauberte und der Wortartist Marcus Jeroch aus Berlin am Samstag die Morenhovener Lupe 2011 in Empfang nahm. Der Festakt als fulminantes Finale: Auch das war zum Schluss noch eine Premiere.

Marcus Jeroch als Lupe-Preisträger prädestiniert

1996 hatte Jeroch mit seinem "Worthe Ater" zum ersten Mal im Krea-Theater gastiert. Rote Lippen, dicke schwarze Augenbrauen und ein wild toupierter, mehlbestäubter Wuschelkopf zu Texten des 1950 in Hannover geborenen Dichters und Kabarettisten Friedhelm Kändler sowie des Wiener Schriftstellers Ernst Jandl (1925 - 2000): Das macht Jerochs unverwechselbaren Stil aus. Und damit eroberte er sich auch in Morenhoven eine Fangemeinde, die ihm bei den folgenden Auftritten 2005, 2007 und 2009 die Treue hielt. Und die ihm die Auszeichnung beim Gastspiel Nummer fünf ganz sicher von Herzen gegönnt hat.

Der Akrobat, der die Sprache genauso zu verdrehen weiß wie seinen schlaksigen Körper, war eigentlich von Anfang an als Lupe-Preisträger geradezu prädestiniert, wie es in der Begründung der Jury heißt. Die Laudatio nennt ihn einen "Paradiesvogel, eine pittoreske Erscheinung". Was sie damit meint, zeigte Jeroch mit Auszügen aus seinem aktuellen Programm "Wortsetzung folgt".

Zwängte sich durch einen Küchenstuhl, während er vom Besuch Churchills - "und Frau Churchill" - im Theater erzählte, und berichtete in den "Briefen aus der Einzelhaft" von einer Schnecke an der Zimmerdecke, die nicht versteht, warum keiner bereit ist, die Dinge mal aus ihrer Perspektive zu betrachten. Unnachahmlich wunderbar ist der Vortrag über das Fehlen einiger der 26 Säulen in dem Gebäude, das sich Sprache nennt. "Oder kurz gesag: Ohne T ist sie ohne Saf und Kraf".

Plüschesel beim Headbanging

Mitunter erreicht der Ausnahmekünstler, dessen Art an die Blütezeit des Varietés der Zwanziger Jahre erinnert, wahrhaft philosophische Höhen: "Mit dem Blick auf das Ge-Stern und die vor sich liegenden Morgen, h(a)eutet sich für uns die Zeit."

In die Riege der Wiederholungstäter aus 24 Jahren Morenhovener Kabarett-Geschichte ist auch Ken Bardowicks zu zählen, der schon 2005 und 2008 dort war und dessen süffisant als "Mann mit Eiern" betiteltes Programm vorwiegend von den Tücken des Zusammenlebens mit einer Hebamme handelt. Zwischendurch bringt der Sohn eines Deutschen und einer Engländerin seine Zauberkunststücke unter; charmant-nonchalant und mit typisch britischem Understatement.

Wie seine Tricks mit Karten, Ringen und Handys funktionieren, möchte man im Grunde gar nicht wissen, sondern sich viel lieber für zwei Stunden der Illusion hingeben, dass Magie zum Leben gehört. So wie ein gewisser Kuschelfaktor. Allerdings nicht mit weißen Kaninchen, sondern hier mit einem Plüschesel beim Headbanging. Die spinnen, die Briten.

Die Kabarett-Tage enden am 8. Januar 2012 mit der "Schlachtplatte" im Rheinbacher Stadttheater. Karten unter www.morenhovener-kabarett-tage.de.

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