Beethovenfest in Bonn Zauberklang der Klarinette - Auftakt nach Maß

BONN · Musikalisch war es ein Auftakt nach Maß, wenn auch ein sehr ungewöhnlicher. Dirigent Kent Nagano und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen eröffneten das Beethovenfest.

Gewöhnlich verbindet man die Deutsche Kammerphilharmonie, die seit einem Jahrzehnt Orchestra in Residence beim Beethovenfest ist, mit dem Dirigenten Paavo Järvi. Insofern war es ein etwas ungewohntes Bild, nun beim großen Eröffnungskonzert des Bonner Festivals Kent Nagano am Pult zu sehen.

Doch bevor er den Einsatz zu Jörg Widmanns Komposition "Armonica" gab, hörte das Publikum in der ausverkauften Beethovenhalle den Festreden von NRW-Bildungsministerin Ute Schäfer, die Beethovenfest-Schirmherrin Hannelore Kraft vertrat, und Bonns Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch zu (siehe Seite 11).

Musikalisch war es ein Auftakt nach Maß, wenn auch ein sehr ungewöhnlicher. Jörg Widmanns "Armonica" ist eine sehr subtile Hommage an Wolfgang Amadeus Mozart, zu dessen 250. Geburtstag im Jahr 2006 es entstand. Da der zurzeit in Deutschland wohl bekannteste lebende Komponist auch ein begnadeter Klarinettist ist, läge eine Auseinandersetzung mit Klarinettenkonzert des Komponisten nahe (worin er im Anschluss an "Armonica" auch selbst als Solist glänzte).

Doch Widmann wählte einen anderen Weg, der ihn zu einem ganz anderen, sehr viel exotischeren Instrument führte: zur Glasharmonika, für die Mozart ebenfalls ein paar Stücke schrieb. Sie ist in Widmanns Stück prominent als Soloinstrument vertreten. In der Beethovenhalle spielte Christa Schönfeldinger den Part.

Leise setzen in dem 2007 durch die Wiener Philharmoniker unter Pierre Boulez uraufgeführten Werk die ersten Töne ein, verwehen wieder, von Beginn findet man sich in einer unwirklichen, sphärischen Stimmung gefangen. Fast unmerklich findet der Übergang von Glasharmonika zu den ersten Orchesterklängen statt, das die klassische Besetzung um viele weitere Instrumentalfarben von tröpfelnden Klavier- und Celestatönen bis zum Watergong oder Tamtam ergänzt. Dazu gewinnt die von Teodore Anzelotti gespielte Akkordeon-Stimme als zweites Soloinstrument Kontur.

Aber wie auch immer raffiniert Widmann orchestriert, verliert er den Klang der Glasharmonika nie aus dem Fokus. Sie ist sozusagen die klangliche DNA des gesamten Stückes, das man wie ein aus- und Einatmen erlebt, das freilich ein Anschwellen der Musik zu einem raumfüllenden Klang einschließt. Kent Nagano, der ein großes Herz für neue Klänge hat, dirigierte das Stück mit größter Sensiblität, die das Orchester großartig umsetzte.

Ein einzelner Buhrufer vermochte das Glück der anderen im jubelnden Saal nicht zu stören. In Mozarts Klarinettenkonzert leitete Kent Nagano die Musiker dann zu klassisch ausgewogenem Spiel an, das die perfekte Grundlage für Jörg Widmann wunderbar melodiöses Spiel lieferte. Er spielte mit unglaublicher Eleganz, tonschön in allen Lagen, verlieh diesem wunderbaren Stück einen fast vokalen Ton.

Nach der Pause spielte das Orchester die vierte Sinfonie von Johannes Brahms. Die Bremer sind gerade ohnehin mit ihrem Chef Paavo Järvi auf dem Brahms-Trip. Unter Nagano agierte man mit Frische, wenn auch vielleicht nicht ganz so angriffslustig wie sie unter Järvi vorgehen würden. Doch Nagano hat ein sehr feines Gespür für Verästelungen und die musikalische Struktur, die er in der finalen Passacaglia klangvoll zum Reden brachte. Danach Jubel und eine Ilona Schmiel gewidmete Zugabe: Schuberts Rosamunde.

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