Zeugnisse einer Leidensgeschichte im Kunstmuseum

Bonner Museum lenkt Blick auf Rheinische Expressionisten und eröffnet die Schwerpunkt-Reihe mit Hans Thuar

Zeugnisse einer Leidensgeschichte im Kunstmuseum
Foto: Franz Fischer

Bonn. "August Macke und die Rheinischen Expressionisten" heißt ein wesentlicher Sammlungsschwerpunkt im Kunstmuseum Bonn. Wer aber sind diese Rheinischen Expressionisten, die ein wenig im Schatten des "Stars" August Macke stehen?

Um ihre individuellen Positionen zu stärken, rückt das Museum fortan in halbjährlichem Wechsel jeweils einen Maler dieser rheinischen Variante innerhalb des deutschen Expressionismus ins Licht. Begonnen hat Volker Adolphs, Kurator dieser Serie, mit einer Werkgruppe von Hans Thuar (1887 bis 1945), seit 1897 engstem Freund und Weggenossen August Mackes bis zu dessen frühem Tode 1914.

"Ohne August wäre ich nicht am Leben geblieben", bekennt Hans Thuar noch 1936. Denn der Freund hat ihm, nachdem er zwölfjährig bei einem Unfall beide Beine verloren hatte, Trost und Lebensmut gespendet und ihn ermuntert zu malen. Gemeinsam sind August und Hans 1911 in die Bonner Vorgebirgslandschaft gezogen; hier haben sie, Rücken an Rücken sitzend, ihren Blick in die Gemüsefelder an Ort und Stelle in Öl auf Leinwand gemalt.

In ihrer reduzierten Formensprache und mit teilweise verfremdeten Lokalfarben erweisen sie sich schon damals als Rheinische Expressionisten. Allerdings zeigt August Macke sich als der kühnere Kolorist.

Noch im selben Jahr beweist sich Hans Thuar mit dem "Kopf eines Türken" als Porträtist seines Freundes Arthur Samuel. 1912 entsteht dann der "Gefällte Baum", den Macke 1913 - übrigens mit Verkaufserfolg - für die Bonner "Ausstellung Rheinischer Expressionisten" auswählt.

Das Ölbild liest sich symbolisch, gleichsam als Klage über das erlittene und noch immer zu duldende Schicksal. Der ehemals starke Baum liegt, seine von der Axt geschlagenen Wunden zeigend, am Boden. Er versperrt den Weg in die ferne lichte Siedlung, man möchte meinen, in eine unbeschwerte Zukunft.

Der Kriegstod des lebensfrohen Freundes August stürzt den sensiblen Gefährten in eine sechs Jahr währende Schaffenskrise. In seiner neuen Werkphase der 1920er Jahre wirken fremdere Impulse als die des Rheinischen Expressionismus nach.

Motivisch und stilistisch könnte man das Gemälde "Raddampfer unter der Brücke" in die Nähe des kraftvollen Kubo-Futurismus rücken, während das "Haus am Kanal" in seinem kleinteiligen Farbspiel mit Licht und Schatten an die Poesie des "Blauen Reiters" denken lässt.

Das "Ungleiche Paar" dagegen zeigt Hans Thuar, jetzt als Figurenmaler, auf dem Weg zu einer beruhigten Formensprache, die allerdings noch nicht der Neuen Sachlichkeit zuzuordnen ist.

Noch einmal, nach 1926, verliert Hans Thuar, beschwert durch Krankheit und Existenznöte, seine schöpferische Kraft.

Erst 1938, als er einen Sommer lang bei Maria Marc, der Witwe des berühmten Franz Marc, weilt, setzt eine - wie man heute weiß - letzte Schaffensphase ein. Der "Blühende Flieder" aus ebendiesem Jahr zeugt zwar von einem neuen, die Form vernachlässigenden Farbrausch: "Es ist mir immer wieder klar, dass ich ein Maler der Farbe bin." Doch kann das Gemälde eine Reminiszenz an die Farbfleckenmalerei von Paul Cézanne nicht leugnen.

Das Kunstmuseum Bonn vertieft die lohnende Begegnung mit Hans Thuar durch biografische Dokumente. Schließlich bestätigen auch einige markante Holzschnitte - etwa das Blatt "Der Bajazzo" - den Künstler als einen begabten Rheinischen Expressionisten.

Kunstmuseum Bonn; Di bis So 11 bis 18, Mi 11 bis 21 Uhr.

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