August Macke Haus in Bonn Zum 125. Geburtstag werden die Reisen des Hauspatrons dokumentiert

Bunte Lampions spiegeln sich flackernd in der Lagune und tauchen Palazzi in sanftes Licht, eine Gondel treibt vorbei, im Hintergrund sieht man die Silhouette der Kirche Santa Maria della Salute am Canal Grande. In der Gondel sitzen aneinander gekuschelt zwei Gestalten. Eine venezianische Nacht, kein Klischee bleibt ausgespart. Herrlich kitschig hat sich hier ein aufstrebender Künstler seine Urlaubsgefühle von der Seele gemalt. Es ist der 18-jährige August Macke.

 Wie man sich den Orient vorstellt: August Mackes naiv-fantasievolles Bild "Märchenerzähler" (1912) aus dem Burda-Museum in Baden-Baden entstand zwei Jahre vor der Tunisreise.

Wie man sich den Orient vorstellt: August Mackes naiv-fantasievolles Bild "Märchenerzähler" (1912) aus dem Burda-Museum in Baden-Baden entstand zwei Jahre vor der Tunisreise.

Foto: Mcke-Haus

Es spricht vieles dafür, dass er eine der Figuren in der Gondel ist, meint jedenfalls die Ausstellungskuratorin Beate Marks-Hanßen. Und die zweite Figur wäre dann wohl Mackes späterer Schwager Walter Gerhardt, ebenfalls 18. Zum Abitur 1905 hatte der eine Italienreise spendiert bekommen. Und nicht nur das, er durfte seinen besten Freund mitnehmen - der sich dann mit dem beschriebenen Bild revanchierte.

Nach Mackes frühem Kriegstod im Herbst 1914 brachte Gerhardt seine Erinnerung an die Reise zu Papier: "Oft saßen wir auch abends zwischen diesen Biedermännern an irgend einer Landestelle, wir unterhielten uns, das silberne Cigarettendöschen mit ?un russo? oder ?egiziano? wurde herumgereicht und dankend begutachtet, und wir übten uns im Sprechen, Spucken und anderen Landesgebräuchen."

Erstmals ist nun dieses Manuskript über die Reise ins Veneto und in die Toskana, bei der die Beiden viel erlebten, aßen und auch mal mit einem halben Liter Wein im Città di Firenze frühstückten, in einer Ausstellung zu sehen und für den Ausstellungskatalog transkribiert worden. Ein Dokument, das dem August Macke Haus gehört.

Dort wurde am Donnerstagabend "August Macke unterwegs" eröffnet, die erste Ausstellung, die Mackes Reisen mit 75 Zeichnungen, Gemälden, Aquarellen, Briefen und historischen Postkarten dokumentiert. Dabei dreht es sich nicht nur um die mit Paul Klee und Louis Moilliet 1914 angetretene Tunisreise, die berühmteste Künstlerreise überhaupt.

Seit seiner ersten Exkursion 1904 in die Eifel war Macke jedes Jahr unterwegs. Von der gezeichneten Karte mit der Burg Hammerstein, die Macke 1904 von einer "Kunstreise" aus Rheinbrohl bei Neuwied an seine Elisabeth schrieb, über London und Amsterdam bis zu den perfekt ausgearbeiteten Skizzen aus Tunis und Kairouan (1914) rekapituliert die ausgezeichnete Ausstellung sämtliche Reisen von Macke.

Paris bleibt eminent wichtig für Macke

Gemessen an den künstlerischen Ergebnissen waren die vier Wochen Paris, die Mackes Onkel, der Sammler Bernhard Koehler, dem jungen Maler 1907 finanzierte, besonders ergiebig. Macke hatte zuvor Julius Meier-Graefes wegweisendes Impressionisten-Buch studiert, sah nun vor Ort die Motive in den Boulevards von Paris und die Impressionistenbilder im Palais du Luxembourg. Man spürt förmlich, wie sich sein Horizont weitet.

Er zeichnet impressionistische Straßenszenen und Mädchenstudien à la Toulouse-Lautrec, lässt sich von ausgelassenen Tänzern und Varieté-Szenen inspirieren. Paris, das er insgesamt viermal besuchte, blieb eminent wichtig für Macke. Insbesondere die letzte Reise an die Seine - 1912 zusammen mit Franz und Maria Marc und Hans Arp - gab dem Werk wertvolle Impulse. Macke lernte Robert Delaunay kennen und mit ihm das Epizentrum der Pariser Avantgarde sowie eine ungeahnte malerische Freiheit.

Die in der Ausstellung detailreich nachgezeichnete Tunisreise im April 1914 hat eine lange Vorgeschichte. Denn schon seit der breit wahrgenommenen Münchner Ausstellung "Meisterwerke mohammedanischer Kunst" (1910) war Macke vom Orient-Virus infiziert. Märchen aus 1001 Nacht, schöne Frauen und edle Beduinen findet man in etlichen Zeichnungen und kunstgewerblichen Entwürfen. Das ist aber alles nichts gegen das, was Macke dann 1914 leibhaftig vor Ort erlebte: Die wunderbar durchgearbeiteten, akkurat komponierten und dabei ungeheuer spontan anmutenden Skizzen von den Gassen rund um den Basar von Tunis, die Impressionen und Porträtstudien gehören zum Besten, was das Medium zu bieten hat. Hier sieht man einen Zeichner auf seinem Zenit.

Der aufmerksame Besucher wird die berühmten Aquarelle aus Tunis vermissen und stößt dabei auf ein Kernproblem dieser ansonsten gelungenen Schau: Seit Jahren schon werden die Aquarelle aus restauratorischen Gründen nicht mehr von den jeweiligen Museen ausgeliehen. Auch die Skizzenbücher mit wertvollen Details der vielen Reisen sind derzeit in Münster unter Verschluss.

Macke hat auf seiner Tunesienreise bis zu fünfzig Zeichnungen pro Tag geschaffen, einige mit Farbangaben. Im Bonner Atelier wollte er die Ideenskizzen ausarbeiten. Viel Zeit blieb ihm nicht: Am 26. September fiel August Macke 27-jährig in der Champagne.

August Macke Haus, Bornheimer Straße 96; bis 28.Mai. Di-Fr 14.30-18, Sa, So 11-17. Katalog 20 Euro

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