Zum Tode von Karin Hempel-Soos

Selbst im Alter von 70 Jahren war sie eine unermüdliche, unerschrockene, liebevolle Streiterin für Bonn

Zum Tode von Karin Hempel-Soos
Foto: Deutsche Post

Bonn. Karin Hempel-Soos hatte eine zarte Seite. Die wusste sie gut zu verbergen. Aber wer das Glück hatte, öfter mit ihr zusammen zu sein, lernte einen empfindsamen Menschen kennen. Auch in ihren Gedichten war sie nachdenklich und oft von großer Gelassenheit.

Ihr letzter Band - "Melde mich morgen" - kreiste um Todesahnungen. Das hatte unerwartete, berührende Zärtlichkeit: "Gevatter Tod / nimm fest mich in die arme / Gevatter Tod / lehr mich dein instrument / die tage kürzen / und die nächte längern / bis ich die dunkelheit / todlächelnd find." Im Alter von 70 Jahren ist Karin Hempel-Soos in der Nacht zum Freitag gestorben.

Meinung Lesen Sie dazu auch Stimmen zum Tode von Karin Hempel-SoosKarin Hempel-Soos war auch eine Unerbittliche, auch gegenüber sich selbst. Bis zuletzt hat sie ihrer Krankheit noch Termine und Gespräche abgerungen. Ihre Unerbittlichkeit galt der Sache. "Kultur ist ein Überlebensmittel" lautete ihr Credo, was auf Bonn bezogen bedeutete: "Ohne Kultur gibt es kein Überlebensklima für diese Stadt." Dafür hat sie gekämpft, für die Entwicklung und für das Überleben Bonns.

Es war keine Koketterie, wenn Karin Hempel-Soos sagte: "Ich weiß gar nicht mehr, wo und für was ich mich alles engagiert habe." Was Bonn angeht, so lässt sich da vieles aufzählen: das Frauenhaus, das Haus der Sprache und Literatur, die freie Kulturszene, die Bonner Schriftsteller.

Hempel-Soos und der von ihr ins Leben gerufene Bonner Kulturrat waren zur Stelle, als die kommunale Politik verschreckt und mutlos zusah, wie der Bund die Bonner Kultur ins (finanzielle) Abseits befördern wollte. Der Zähigkeit, der Überzeugungskunst und der politischen Taktierkunst von Karin Hempel-Soos ist es zu verdanken, dass die Stadt besser wegkam, als sie es sich je erhofft hatte.

Wie man politisch die Strippen zieht, hatte sie gründlich verinnerlicht; seit 1968 war sie Mitglied der SPD, die es mit ihr nicht unbedingt leicht hatte, zeitweise übernahm sie den Vorsitz der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen. Das Wort "aufgeben" ist im Sprachschatz der gern auch wortgewaltigen Literatin nicht vorgekommen. Man mag das auch mit ihrer Biografie erklären.

Geboren wurde Karin Hempel-Soos 1939 in Dresden, in Meiningen/Thüringen wuchs sie auf. Sie war 19, hatte gerade ihr Studium der Germanistik, Politologie und Wirtschaftswissenschaft in Dresden begonnen, als sie aus der DDR flüchtete. Das System der Anpassung war nichts für eine Unangepasste.

Seit 1960 lebte Karin Hempel-Soos in Bonn. Die Stadt ist ihr ans Herz gewachsen, was niemand mit Kritiklosigkeit verwechseln sollte. Die "Kulturbotschafterin", wie sie von Bärbel Dieckmann genannt wurde, konnte scharfzüngig und auch zynisch sein, was man in ihren Kabarett-Programmen und Satiren ausreichend erleben durfte.

Sie schonte nichts und niemanden; die Liebe zur Kultur und die Liebe zu Bonn machten sie nicht blind, sondern hellsichtig. Die letzten Jahre der Karin Hempel-Soos galten einem Ziel: einem Beethoven Festspielhaus in Bonn. Vor sieben Jahren beim Aschermittwochs-Treff des Bonner Kulturrats überraschte sie das ziemlich erstaunte Publikum mit der Vision von der Festspielstadt Bonn.

Weil "permanente Penetranz" - so die Selbstaussage - auch zu den Eigenschaften der unerschrockenen Sprecherin des Kulturrats gehörte, ist dieses Ziel ein gehöriges Stück näher gerückt, aber noch lange nicht erreicht.

Sollte das Festspielhaus am Rhein eines Tages eröffnet werden, so wird es dort einen Hempel-Soos-Saal geben müssen. Niemand sonst hat sich um dieses Projekt so verdient gemacht wie Karin Hempel-Soos. Es war ihre Herzenssache.

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