Zwei Hochzeiten und ein Pflegefall
Die Bonner Videonale will mit dem Einzug ins Kunstmuseum und der Kooperation mit dem Videozentrum Oppenheim nach Jahren der Agonie das Comeback wagen
Bonn. "Wir befinden uns in der Dimension der reinen Schwingungen, des Fließens der Zeitmaterie", konnte man in einem Text von Maurizio Lazzarato anlässlich der letzten Bonner Videonale lesen. Das war 2001. Die Schwingungen, sie wurden immer müder, der Fluss versiegte allmählich.
Und das Schlimme dabei: Kaum jemand vermisste sie, die vor 20 Jahren gegründete Videonale hatte sich, so schien es, klammheimlich verabschiedet.
Das als Biennale konzipierte Festival war aus dem Rhythmus geraten, weder 2003 gab es eine Videonale, noch wird es 2004 eine geben. Das Comeback ist für Februar 2005 geplant. Es soll ein echtes Comeback sein.
Die gute Tante Videonale, eines der ältesten und renommiertesten Videofestivals in Deutschland, geht geliftet und per Frischzellenkur gestählt an den Neustart.
Vorbei die Zeiten, als das Festival-Büro im Niemandsland zwischen Kunstverein und Gesellschaft für Kunst und Gestaltung im ersten Stock der Blumenhalle am Hochstadenring ein kümmerliches Dasein fristete, die Institution ansonsten zwischen den Festivals weitgehend ins kulturelle Koma fiel. Am Mittwochabend feierte man mit einer Party den Einzug ins Kunstmuseum Bonn und den Beginn einer vielversprechenden Ära.
Zwei fast Ertrunkene treffen sich dort zwischen vier Wänden: Die Videonale und das Videozentrum Oppenheim, dessen Räume im Kunstmuseum nun von dem Kurator der Videonale 2005, Georg Elben, mitgenutzt werden.
Ingrid Oppenheims Videosammlung, die zunächst als Dauerleihgabe, 1989 dann als Schenkung ins Haus gelangt war, vor 12 Jahren als öffentlich zugängliches Zentrum eröffnet wurde, ist seit Jahren ein Pflegefall mit hoffnungsloser Prognose. Es sei denn, es passiert bald etwas. Nach und nach wurde das Angebot, Videos innerhalb des Kunstmuseums zu zeigen reduziert, vor zwei Jahren schloss die Ausleihtheke.
Restauratoren hatten Alarm geschlagen, denn die zum Teil aus den Pioniertagen des Mediums stammenden Bänder waren in einem erschreckenden Zustand. Unklimatisiert und wohl auch sonst nicht fachgerecht gelagert, hatte so manches Video, darunter wertvolle so genannte Mutterbänder, schwer gelitten.
"Wir versuchen zu retten, was noch zu retten ist", meint Ruth Diehl, Kuratorin der Oppenheim-Ausstellung, die ab Ende dieses Jahres im Kunstmuseum eröffnet werden soll und natürlich auch einen Querschnitt der Videos zeigen will.
Digitalisierung und Kopie auf DVD ist oft die letzte Rettung für die angegriffenen Bänder - bei 400 Videos von 140 Künstlern ein sehr teurer Spaß, aber eine notwendige Investition, will man das rund 35 Jahre alte Medium adäquat dokumentieren.
Und der Wille ist durchaus da: So soll die Videokunst vom eher unscheinbaren Erdgeschoss ins Piano nobile der Dauerausstellung wandern, dort zukünftig in einer Art Installation arrangiert präsentiert werden. Gedacht ist an ein "Juke-Box-Prinzip" (Diehl), in dem Besucher ihre Wunschfilme per Knopfdruck ordern können.
Aufgewertet wird das Medium natürlich auch durch die Präsenz der Videonale mit ihrer eigenen Sammlung und dem internationalen Festival, das 2005 erstmals im Kunstmuseum über die Bühne geht. So ist beiden geholfen: "Ein Sprung ins Rampenlicht ist es für die Videonale, eine zusätzliche Stärkung fürs Kunstmuseum", meint Ludwig Krapf, der bereits als gerade installierter Bonner Kulturdezernent seine Sympathie für das Videofest bekundete und als einer Väter der neuen Konstruktion gilt.
Krapf betrieb den Wechsel von einer "spontanen" Finanzierung der Videonale von Fall zu Fall zur "festen Förderung", die im laufenden Doppelhaushalt insgesamt 80 000 Euro beträgt und dem Festival Planungssicherheit gibt. Auch für den Umzug ins Kunstmuseum machte sich der Kulturdezernent stark - wohl auch vor dem Hintergrund eines heftigen Flirts der Videonale mit dem Kölner Museum Ludwig.
Für Kunstmuseums-Vize Christoph Schreier, der auch im Videonale-Vorstand sitzt, bietet die neue Kooperation die Chance, den Wandel des Mediums Video, die Annäherung zur bildenden Kunst und zum Spielfilm untersuchen und dokumentieren zu können: "Ich freue mich auf die Debatten."
"Es geht um Sinnlichkeit und auch um Unterhaltung", meint der Videonale-Kurator Elben zum Konzept des 10. Festivals. Der 40-jährige Bonner Kunsthistoriker, seit Jahren Vorstandsmitglied des Vereins, will seine Präsentation auf eine breitere Basis stellen, nicht nur die engere Video-Gemeinde bedienen. Dass er bei seinem Vorgänger Sìren Grammel anknüpfen will, ist klug: Dessen Videonale 9 war ein Erfolg - " in der Dimension der reinen Schwingungen, des Fließens der Zeitmaterie".