Zwischen Madonna und Femme fatale

Annamirl van der Pluijm in der Beueler Brotfabrik

Beuel. Der Spot auf Annamirl van der Pluijm erhellt sich bei ihrem Auftritt in der Brotfabrik nur langsam. Wie das Bild der Frau, die sie tänzerisch verkörpert. In der Ouvertüre ihres Solos "The Other Me" (1998) gewinnen die Konturen nur zögerlich an Klarheit. Schließlich sind es verschiedene Facetten einer einzigen Frau, die dezent und mit ästhetischer Zartheit ihre Seele vor dem Publikum offenbart. Und so sitzt sie zunächst nur da, mit stoischer Ruhe, hat den Blick in die Ferne gerichtet und blättert dabei in einem aufgeschlagenen Buch.

Das mag man als Lebensbuch einer Frau deuten, die rückblickend viele Seiten an sich erkennt. Die in den Seiten getrockneten Blätter lässt sie wie abgeschlossene Kapitel auf den Boden fallen, schmunzelt dazu und verkrampft auch mal die hilfesuchende Hand. "Ich hab im Traum geweinet", das Bekenntnis aus Schumanns Liederzyklus "Dichterliebe", wird dabei zu einem musikalischen Mosaikstein im Seelengemälde zwischen unschuldiger Madonna und verführerischer Femme Fatale, das van der Pluijm körperlich nachzeichnet.

Gemälde sind es wiederum, die sie zur Choreografie des zweiten Solos "Augenblick" inspirierten. Mit einem transparenten Tuch denkt sie die Arbeit von Gustav Klimttänzerisch fort. Klimt lässt in seinen Gemälden stets nur vereinzelte Körperteile aus den goldenen Ornamentgewändern hervorragen.

In ihrem Tanz mit dem von der Decke herabhängenden Tuchvorhang in Klimt-Ornamentik geht die Tänzerin erneut an dezente Deutungen. Tuch ist hier Haut und Geborgenheit, Versteck, Kokon und Zwangsjacke. Van der Pluijm vermittelt diese Deutungsvielfalt mit großer Körperbeherrschung und einer ganz eigenen, leisen Ästhetik der Bewegung.

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