Zwischen zwei Männern und Dörfern
Konzertante WDR-Produktion von Alfredo Keils "Serrana" im Bonner Opernhaus
Bonn. 1893 erschien in der italienischen Musikzeitschrift "Il Trovatore" eine Karikatur des portugiesischen Komponisten Alfredo Keil. Sie zeigt den Tonsetzer als Maler mit Pinsel und Farbpalette. Der Bezug zur Malerei war nicht bloß symbolisch gemeint.
Alfredo Keil, als Sohn deutscher Einwanderer 1850 in Lissabon geboren, war eine Doppelbegabung als Komponist und Maler, dessen Bilder von einflussreichen europäischen Kunstsammlern erworben wurden. Dass er auch ein Orchester als eine Palette von Klangfarben subtil zu nutzen verstand, belegte die konzertante Aufführung seiner Oper "Serrana" (Die Frau aus den Bergen), mit der das WDR-Rundfunkorchester und der WDR-Rundfunkchor ein Gastspiel im Rahmen des Rheinischen Musikfestes im Bonner Opernhaus gaben.
In "Serrana", 1899 uraufgeführt, hebt Keil die Grenze zwischen Rezitativ und Arie auf, man erlebt ein raffiniertes Ineinander von empfindsamen melodische Gestalten, ergänzt um einige naturalistische Einsprengsel in Gestalt von Tanzrhythmen oder Marschklängen, eine Musik also, die sich dem Handlungsverlauf anschmiegen und keine vorfabrizierten Formen ausfüllen will.
Erzählt wird ein Eifersuchtsdrama um das Mädchen Zabel aus dem Dorf Malhada in der Serra da Estrela. Ihren derzeitigen Geliebten Marcello will sie verlassen, um zu ihrem früheren Geliebten Pedro aus dem Nachbardorf zurückzukehren. Mit der Rivalität der beiden Männer kommt auch ein seit Urzeiten schwelender Zwist zwischen den beiden Dörfern ins Spiel, der allerdings weitgehend Kulisse bleibt. Immerhin bietet er Gelegenheit für wirkungsvolle Chorpartien wie etwa eine lärmige Wirtshausszene, das Lied der Spinnerinnen oder die Prozession zum Fest des heiligen Silvester, in denen der Rundfunkchor des WDR (Einstudierung Jörg Ritter), trotz akustisch ungünstiger Position im Bühnenhintergrund, mit überaus kultiviertem Gesang glänzte.
Über den Gang der Handlung wurde das Publikum mit deutschen Zwischentexten informiert, die von Günter Lamprecht und Claudia Amm gesprochen wurden - eine dramaturgische Idee, die nicht völlig überzeugte. Übertitel wären plausibler gewesen.
Immerhin blitzte das schauspielerische Talent des Duos bei der packend vorgetragenen Abschiedsszene zwischen Pedro und Zabel auf.
Gesungen wurde (in der Originalsprache) weitgehend auf hohem Niveau, allen voran die Sopranistin Laura de Souza, die ihre Rolle mit eindrucksvoller Präsenz und Intensität ausfüllte, fabelhaft die dramatischen Ausbrüche, berückend die zarten, tragfähigen Pianissimo-Töne in der Sterbeszene. Ricardo Tamura als Pedro bestach mit einer kraftstrotzenden Stimme, kehrte aber auch die verletzliche, gebrochene Seite des Pedro heraus.
Der Bariton Juan-Carlos Mera-Euler als sein Kontrahent Marcello agierte ebenso stimmstark, verwendete aber häufig ein manieriert wirkendes, starkes Tremolo. Luiz Molz hingegen überzeugte mit unaffektiertem Bass als weiser Dorfältester Nabor. Das Rundfunkorchester unter Leitung von Helmuth Froschauer spielte Keils Musik klangschön, eher weich als dramatisch geschärft, nicht immer auf Präzision bedacht.
Die Musik sei sein Ruin gewesen, bekannte Keil am Ende seines Lebens. Sein Ruhm immerhin lebt weiter - wenn auch nur als Schöpfer der portugiesischen Nationalhymne.