Re-Performance Zwölf Tage unter Beobachtung in der Bundeskunsthalle

Bonn · Lyn Bentschik zeigt seit 17.30 Uhr eine Re-Performance von Marina Abramovics „House with the Ocean View“ in der Bundeskunsthalle. Sie darf zwölf Tage und zwölf Nächte weder essen noch sprechen und wird die drei schwebenden Räume nicht verlassen.

Dafür, dass Lyn Bentschik gleich für zwölf Tage keinen festen Boden mehr unter den Füßen haben wird und nichts Essen darf in dieser Zeit, wirkt sie ausgesprochen ruhig. Die 26-Jährige ist gelernte Tänzerin und wird in der Bundeskunsthalle erstmalig eine Re-Performance von Marina Abramovics „House with the Ocean View“ zeigen.

Im Jahre 2002 zog Abramovic in der Sean Kelly Gallery in New York für zwölf Tage und Nächte in drei schwebende, miteinander verbundene Räume ein. Die Besonderheit: in der ganzen Zeit werden die Räume nicht verlassen, es gibt keine Nahrung oder ein bequemes Bett. Es gibt lediglich Wasser, eine Toilette, eine Bank aus Holz und ein Tisch mit Stühlen.

Vor jedem Raum ist eine Leiter angebracht, jedoch sind riesige Tranchiermesser mit nach oben gerichteter Klinge anstelle normaler Sprossen installiert – eine strikte Trennung zu den Besuchern. Dennoch haben diese die Möglichkeit, Bentschik bei ihrer täglichen Routine zu beobachten – Essen und Sprechen ausgenommen.

Eine erste Re-Performance von Abramovic erlebte Lyn Bentschik in Stockholm, und es wirkt, als hätte sie der Sog und die unglaublich intensive Wirkung ihres Schaffens seither nicht losgelassen. „Eine Neigung für die Performance-Art hatte ich schon während meiner Tanzausbildung. Ich finde die Grenzen von Tanz und Performance wirklich spannend.“ Der persönliche Umgang mit Grenzen, die viele verfügbare Zeit um „einfach zu sein“ wären das reizvolle an ihrer Arbeit. „Die Selbstkonfrontation ist ein großer Teil der Performances, es werden enorme innere Prozesse in Gang gesetzt.“

Fasten als Vorbereitung

Um sich auf die zwölf Tage vorzubereiten, hat Bentschik vor ein paar Monaten für zehn Tage gefastet. Alles andere muss sie auf sich zukommen lassen. „Doch nach so einer Erfahrung verstehe ich jedes Mal mehr über mich und über die Welt – es ist faszinierend“, schwärmt sie und könnte dabei nicht authentischer wirken. Vier Stunden vor Beginn blickt sie noch einmal auf ihr neues zu Hause auf Zeit: „Ich möchte da jetzt einfach nur noch hoch“, sagt sie. Wenngleich die Performance alles andere als leicht wird. „Man stößt ständig an seine Grenzen. Ich denke oft, dass ich nicht mehr kann – aber das denke ich dann eben tausend Mal und es geht doch.“

Genau auf diesem Wege würden die Grenzen verschwimmen, die Wahrnehmung sich verändern. Ein Austausch mit dem Publikum wird in vielen Werken Abramovics nahezu provoziert. „Ich wünsche mir, dass die Menschen sich darauf einlassen, sich berührt fühlen und Austausch zulassen.“ Wo genau es im Anschluss für die freischaffende Künstlerin hingeht, ist noch ungewiss. „Ich habe nie geplant, hier zu sein, doch jetzt bin ich hier und es ist toll.“ Vermutlich wird das Meistern des Alltags erst einmal die größte Hürde: „Der Einstieg in das normale Leben wird nicht einfach. Wieder sprechen, essen und sozial mit Menschen interagieren.“ Das Abstumpfen während einer Performance gehöre mit zu dem Prozess, sowie das Finden seines eigentlichen Tempos: „Danach wirkt alles so unglaublich schnell.“

Bentschik bezeichnet sich selbst als sensibel und vermittelt doch eine unglaubliche Gelassenheit. „Ich denke, mit dem Schlafen werde ich keine Probleme haben, es wird vermutlich nur etwas hart“, sagt sie mit Blick auf die Holzbank. Zukünftig wünscht sich auch die 26-Jährige, ihre eigenen künstlerischen Wege weiter zu verfolgen und die Kunst zu nutzen, um ihre Emotionen darin zu verarbeiten – so wie auch Marina Abramovic.

House with the Ocean View ist bis zum 24. Juni in der Bundeskunsthalle, Friedrich-Ebert-Allee 4, 53113 Bonn, täglich von 10 bis 19 Uhr, dienstags und mittwochs bis 21 Uhr, zu sehen.

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