Benefizabend im Pantheon Zyniker Hagen Rether fordert eine neue Ethik

Bonn · "Lassen Sie uns mal schön durchlangweilen", schlägt Hagen Rether vor. Nein danke. Ist zwar gut gemeint, geht aber von der Idee aus, dass zur Ruhe kommen und Langeweile identisch sind, letztere also ein probates Mittel gegen die allgegenwärtige Hektik darstellt.

Im Pantheon, in dem Rether einen Benefizabend für das Bonner Frauenhaus veranstaltet ("das braucht leider Unterstützung dringender denn je"), ist das nicht der richtige Ansatz. Lieber dem Kabarettisten zuhören, der sich melancholisch und zynisch zugleich über den Zustand der Gesellschaft äußert, der in Rethers Augen an einer dialektischen Verdrehung von Religion, Politik und Moral krankt.

Da werden zum Beispiel in der Schule Moslems und Christen im Religionsunterricht getrennt, und hinterher ist der Aufschrei groß, dass ein gegenseitiges Verstehen nicht möglich ist. Oder immer höhere Gewinne gefordert, aber die Banker und Manager verteufelt. Wer B will, darf A nicht machen. Ganz einfach. Dabei geht es Rether nicht unbedingt um konkrete Probleme, sondern um systemimmanente.

Weg mit den Lobbyisten, fordert er, her mit Bankensteuer, Mindestlohn und echter Gleichberechtigung. Positionen der Linken, wie der 43-Jährige bekennt. Stört ihn nicht. Ganz im Gegenteil: "Wir stehen in den Scherben des Kapitalismus und warnen vor den Kommunisten", höhnt er.

Alte Feindbilder sterben langsam. Auch die Retherschen. Der wettert etwa fröhlich gegen den Papst, ohne dabei zwischen Benedikt und Franziskus zu unterscheiden, weil der Vatikan ja ohnehin für den Pferdeschwänzigen eines der großen Übel der Welt zu sein scheint. Selbiges gilt für die FDP.

Zwar betont Rether immer wieder, dass es ihm um Muster geht, nicht um Personen - konsequent geht er dabei allerdings nicht vor. Uli Hoeneß ist für ihn der "Prototyp des 60er-Jahre-Ludwig-Erhard-Wirtschaftswunder-Generaldirektors", über die Selbstanzeige sowie die durch eine mögliche Verletzung des Steuergeheimnisses ausgelöste, teils fragwürdige öffentliche Diskussion schweigt er sich aber aus.

Hagen Rether zieht gegen die großen Probleme dieser Welt zu Felde, prangert zu Recht an, mahnt, verlacht und verzweifelt und kommt selbst nach fast vier Stunden nur mühsam zum Ende. Überall gibt es was zu tun - und meistens nicht an jenen Ecken, über die ständig berichtet wird. Alles nur Beispiele.

Weil es uns egal ist, was passiert, so lange es uns gut geht. Weil es an Werten und Wertschätzung fehlt. Da offenbart Rether Ekel und Abscheu vor der Welt. Gefühle, die bei Charles Baudelaire übrigens im Zusammenhang mit "Ennui" stehen. Vielleicht kommt daher ja Rethers Langeweile.

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