Videonale in Bonn Reise zu den Brennpunkten

Bonn · Im Kunstmuseum Bonn startet die 19. Videonale mit einer Ausstellung und einem Festivalprogramm.

 Im Videonale-Circus finden Screenings und Diskussionen statt.

Im Videonale-Circus finden Screenings und Diskussionen statt.

Foto: schoenebeck

 Die Videonale 19 hat ihre Zelte in der Stadt aufgeschlagen und macht sich mit einer großartigen Ausstellung sowie einem opulenten Festivalprogramm ab heute Abend bemerkbar. Hauptaustragungsort des Festivals für Video und zeitbasierte Kunstformen, wie es offiziell heißt, ist wie immer das Kunstmuseum Bonn. Museumsintendant Stephan Berg freut sich über seine Gäste, die in den kommenden sechs Wochen frischen Wind in die musealen Wände mitbringen. Zwar muss sich das Kunstmuseum Bonn nicht nachsagen lassen, verstaubt zu sein, aber angesichts der hohen Geschwindigkeit, mit der die Videonale agiert, fühlt sich Berg, als ob er Zeuge sei einer „Begegnung zwischen einem Schnellboot und einem Tanker“. Kollisionen gibt es da zum Glück keine, denn beide Akteure sind aufeinander eingespielt und profitieren voneinander. Dass die Videonale es zugleich schafft, sich immer wieder zu entwickeln, gar neu zu erfinden, ist sicherlich das Verdienst der künstlerischen Leiterin Tasja Langenbach und ihrem Team.

Auch in diesem Jahr hat es einige Entscheidungen gegeben, die der Veranstaltung und vor allem dem Kontakt zwischen den gezeigten Arbeiten und dem Publikum unbedingt zugute kommen. So habe man im Vorfeld einige Mühe darauf verwendet, den Blick zu öffnen und die Videonale insbesondere in afrikanischen und asiatischen Gebieten bekannter zu machen, sagt Langenbach. Insgesamt hatte die Jury dann 1989 Einreichungen aus 20 Ländern zu sichten und entschied sich schließlich für 27 künstlerische Positionen, die jetzt gezeigt werden. Anders als in den vergangenen Ausgaben gibt es in diesem Jahr jedoch kein großes Thema, das die Werke wie einen roten Faden verbindet. „Wir wollen sehr stark von den einzelnen Arbeiten aus agieren und das große Spektrum der aktuellen Themen zeigen“, sagt Langenbach. Wahrscheinlich eine kluge Idee, denn gerade in der Gleichzeitigkeit der wichtigen Themen unserer Zeit zeigt sich deren potenzielle Bedeutung und auch ihre Verbindung untereinander. So kann das Machtgefälle zwischen globalem Norden und globalem Süden, der Umgang mit Ressourcen und der Klimawandel gewiss nicht isoliert voneinander betrachtet werden.

Alltagsrassismus und Diskriminierung

Ähnliches gilt für Erfahrungen von Diskriminierung und Alltagsrassismus, dem Kampf um Meinungsfreiheit und den schwierigen Weg der Identitätsfindung. So beschäftigen sich Felipe Castelblanco und Lydia Zimmermann in ihrem Film „Ayenan: Water Territories“ mit den tiefgreifenden Veränderungen, die das Erscheinen der spanischen Eroberer am Amazonas hinterlassen haben. Die Verteidigung indigener Lebenswelten gegen die Habgier ausländischer Konzerne setzt sich heute fort.

So bildgewaltig hier die kolumbianische Natur in Szene gesetzt wird, so findet der Filmemacher Douwe Dijkstra in „Neighbour Abdi“ ebenfalls eine eindringliche Form für seine Geschichte. Sie erzählt von Abdi, der als Elfähriger aus Mogadishu in die Niederlande kommt und sich an Gewalt, Krieg und Kriminalität erinnert. Der komplett vor dem Green Screen entstandene Film, in den in der Postproduktion nachgebaute Hintergründe eingesetzt wurden, lebt von seiner Mischung aus sozialem Engagement und viel Humor.

In einer Art Videotagebuch untersucht Ji Su Kang-Gatto die Geschichte ihres Aufwachsens als Tochter koreanischer Einwanderer und parallel dazu die Kindheit ihrer Schwester in Südkorea. Hier geht es um Fragen der Zugehörigkeit, Erfahrungen von Rassismus und wie unterschiedliche Kontexte das Leben der Schwestern prägte. Aus diesen wenigen Beispielen lässt sich vielleicht schon erahnen, dass die Komplexität der 27 gezeigten Videos vom Besucher durchaus eine gewisse Hingabe erfordern, die sich auf jeden Fall lohnt.

Barrierefreie Ausstellungsarchitektur

Dies wird erfreulicherweise durch die im weitesten Sinne barrierefreie Ausstellungsarchitektur entscheidend erleichtert. Zum ersten Mal wurden viele der oft englisch- oder spanischsprachigen Videos auf Deutsch untertitelt – das war längst überfällig. Es gibt Kopfhörer zum Ausleihen, aber man kann sich problemlos mit dem Klinkenstecker des eigenen Kopfhörers an den Ton anschließen, was sehr praktisch ist. Insgesamt sind die Monitore größer geworden, die Sitzgelegenheiten vielfältiger und das Design verwinkelter.

Es gibt sogar einen „Ort der Ruhe“, an dem man für eine Weile aus der bewegten Bilderflut aussteigen kann. Als Pendant dazu steht am Eingang der „Videonale-Circus“, der unter einem transparenten Zeltdach Angebote zum Gespräch macht und in dem regelmäßig Screenings stattfinden. An vier weiteren Orten – auf der 30. Etage des Post Towers, im Bunker der Kreuzkirche, im Theater im Ballsaal und in der Klub Bar King George in Köln – werden experimentelle Kurzfilme gezeigt. Durch diese Ausweitung des Festivalprogramms, das sich anders als früher über die gesamte Laufzeit der Ausstellung zieht, kann jedem Beitrag eine eigene Veranstaltung gewidmet werden.

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