Eine runde Sache Ringo Starr: Beatles-Mitglied feiert 80. Geburtstag
Los Angeles · Die Beatles sind weltweit bekannt und werden von Millionen von Fans geliebt. Das beliebteste Mitglied feiert am Dienstag seinen 80. Geburtstag.
Ob es noch andere Menschen gibt, die auch immerzu schmunzeln müssen, wenn sie an ihn denken? Bestimmt. Niemand sagt: Ringo Starr. Alle sagen bloß: Ringo. Wie bei einem Freund. Man schließt ihn in sein Herz, selbst wenn man ihn noch nie getroffen hat. Vielleicht, weil er so arglos wirkt und lustig ist. Er sei ein großer Fan Beethovens, hat er mal gesagt, „vor allem von dessen Gedichten“. Gut möglich, dass er tatsächlich Gedichte Beethovens gelesen hat. Und Gemälde von Shakespeare gesehen. Und Rockballaden von Picasso gehört. Jemandem, der sich in ein gelbes U-Boot setzt, um einen Oktopus in dessen Garten zu besuchen, ist alles zuzutrauen.
Wenn man versucht, Kindern die Beatles nahezubringen, fragen sie zuerst nach Ringo. Das ist ein gutes Zeichen. Im englischen Fernsehen lieh er dem Erzähler der Kinderserie „Thomas, die kleine Lokomotive“ seine Stimme. So einer kann kein schlechter Mensch sein.
Ernstgemeinte Frage zwischendurch: Welcher Beatle wären Sie am liebsten gewesen, damals? Der überambitionierte, ehrgeizige Paul? Der verquere und gallige John? Der sorgenschwere und fernwehe George? Nee, oder? Lieber Ringo. Der trägt auch mit 79 noch eine Sicherheitsnadel im Ohr. Er macht in der Öffentlichkeit immer das Peace-Zeichen, weil: Love is all you need. Er lebt in L.A. mit seiner Ehefrau, der Schauspielerin Barbara Bach. Und wenn er irgendwo auftritt, muss er gar nicht singen oder sowas, denn die Menschen feiern ihn allein dafür, dass er Ringo ist.
Natürlich gibt es auch die Gehässigen. Sie sagen: Die Menschen feiern ihn, weil er nicht singt. Und: Sein Gesamtwerk als Solokünstler könne man ohne Verluste gegen einen einzigen Vers aus „Yellow Submarine“ eintauschen. Das ist gemein. Auch wenn da tatsächlich was dran ist. Man höre nur mal „Beaucoups Of Blues“ seine Countryplatte von 1970. Ist ganz fürchterlich. Er ist halt kein Cowboy. Andererseits erreichte Ringo 1973 mit drei Singleauskopplungen aus einem Album in den USA dreimal die Top 5, davon zweimal Platz eins. So einen Erfolg konnten weder John und Paul noch George verbuchen. Einer dieser Hits heißt „You’re Sixteen“ und geht so: „You walked out of my dreams and into my car“.
Was man indes mit aller Vehemenz zurückweisen muss, ist der oft gehörte Vorwurf, er sei kein guter Drummer. Leuten, die so etwas sagen, sollte man „She Loves you“ vorspielen. Oder seine Parts aus „A Day In the Life“. Oder „Magical Mystery Tour“ und „Come Together“. Oder, noch besser: „Rain“. Phil Collins wies mehrfach darauf hin, wie gut Ringo bei den Beatles war. Er war uneitel, stellte sich in den Dienst des jeweiligen Sängers und trieb die anderen nach vorne.
Und was man auch mal sagen muss: Er war der einzige Profi in der Band. Sogar der einzige Erwachsene, wenn man so will. Richard Starkey wuchs in einer üblen Ecke von Liverpool auf, seine Eltern ließen sich scheiden, als er drei war, und er war so oft und so lange und so schwer krank, dass die Ärzte prophezeiten, er werde seinen 16. Geburtstag nicht erleben. Er spielte zum ersten Mal im Krankenhaus Schlagzeug, und er wurde so gut, dass er damit früh sein eigenes Geld verdiente. Ringos Künstlername prangte bereits wie eine Marke auf seinem Instrument, als Paul noch zur Schule ging. Er spielte in der Band Rory Storm & The Hurricanes, und weil die oft in denselben Clubs auftrat wie die 1960 gegründeten Beatles, bei denen zunächst Pete Best an den Drums saß, kennt Ringo beide Seiten: Im Publikum zu den Beatles aufschauen und von der Bühne als Beatle heruntergucken. Er ist Fan und Star(r) zugleich. Der Rockkritiker Robert Christgau schrieb deshalb: „Ringo ist unser Stellvertreter bei den Beatles.“
Als Ringo im Jahr 1962 Mitglied der Fab Four wurde, sagte er einen Satz, der einen heute noch an die Rockmusik als romantisches Freundschaftsereignis glauben lässt. „Ich war Einzelkind, und plötzlich fühlte es sich an, als hätte ich drei Brüder.“ Er bedankte sich für den Familienanschluss, indem er immer lieferte, wenn die Diven da vorne wieder mal ein Album nicht vollbekamen. Für seine Songs schämten sie sich später, dabei ist zum Beispiel „Octopus’s Garden“ zum Hit in der „Sesamstraße“ geworden, es fungiert also gewissermaßen als Rampe in die Populärkultur. Wer keine Ohrwürmer mag, überspringe jetzt bitte mal eben drei Zeilen: „I’d like to be under the sea / In an octopus’s garden in the shade“.
Wie dankten sie es ihm? Meistens gar nicht. Am 22. August 1968 hielt ihn jedenfalls niemand auf. Er stürmte aus den Abbey-Road-Studios, hatte keine Lust mehr auf die verdammten Streitereien. Die Beatles nahmen da gerade das Weiße Album auf. Riesenplatte zwar, aber auch Riesenstress.
Paul schüttelte bloß den Kopf nach Ringos Abgang und setzte sich selbst an die Drums, um „Dear Prudence“ einzuspielen. Zwei Wochen lang war Ringo kein Beatle mehr. Dann holten sie ihn zurück. Sie schickten ihm ein Telegramm auf die Yacht von Peter Sellers, auf der er gerade vor Sardinien zu entspannen versuchte: „Du bist der beste Rock-and-Roll-Schlagzeuger der Welt. Komm nach Hause. Wir lieben dich.“ Ringo übersah die kleine Perfidie, die sie sich erlaubten, indem sie eben nicht „der beste Schlagzeuger der Welt“ schrieben, und kehrte heim. Seine Trommeln schmückten sie mit Blumen und dem Schriftzug: „Welcome back, Ringo“. Er legte sofort los, und gemeinsam nahmen sie „Ob La Di, Ob La Da“ auf.
Man kann sich bei Ringo bedanken, dass die Beatles überhaupt so lange zusammenblieben. Er war der gute Geist der besten Band der Welt. Und bezeichnend ist eine Szene, die man in der DVD-Box „Anthology“ findet: In den 80er Jahren dürfte das gewesen sein, da sitzen George und Paul auf dem Rasen an einem See und spielen Ukulele. Ringo hockt daneben und klopft einen Beat auf seine Knie. George und Paul tun lässig, aber sie treten miteinander in Wettstreit, was doppelt albern ist, weil die Instrumente so klein sind und ihnen die Anmutung von Kindergarten-Kindern geben. Irgendwann mag Ringo nicht mehr zusehen und hört auf, den Takt vorzugeben. Und dann hören auch George und Paul auf zu spielen. Vielleicht war er sogar das Herz der Beatles, denkt man da: Weil er den Takt schlug, blieb die Gruppe am Leben.
Ringo wird 80. Er ist so reich und (hoffentlich auch) glücklich, dass man ihm nichts schenken muss. „It’s beautiful and so are you“, heißt es in „Dear Prudence“. Schön, dass Du da bist, Ringo.