Konzert in der Lanxess-Arena Köln Rockkonzert mit politischer Botschaft

Köln · Das britische Trio Muse zelebriert das Konzeptalbum „Drones“ in der Kölner Lanxess-Arena vor 19.000 begeisterten Fans. Die Optik der Show besitzt fast schon 3-D-Qualität.

 Matthew Bellamy in Aktion - und die Fans gehen mit.

Matthew Bellamy in Aktion - und die Fans gehen mit.

Foto: Thomas Brill

Es ist Krieg. Körper zerbröckeln, verfallen, lösen sich auf. Muskelmasse wird sichtbar, die Struktur der Knochen, das Gehirn. Haut blättert ab, so als sei sie aus Papier. Die Fratze eines brüllenden Sergeanten mit Reißzähnen, Männer in Anzügen, die Zombies gleichen. Städte versinken, Planeten implodieren, schrundige Gesteinsbrocken fliegen umher. Im Regen von Feuer und Funken schlucken schwarze Löcher den letzten Rest der Menschlichkeit. Es ist Krieg.

Wenn Muse Sonntagabend in der Lanxess-Arena vor 19.000 Menschen ihr Konzeptalbum „Drones“ zelebrieren, dann ist bühnentechnisch das Ende der Fahnenstange erreicht. Von oben betrachtet, muss der Untergrund, auf dem sich die Protagonisten bewegen, wie eine Minigolfbahn für Riesen wirken. In der Mitte des Innenraums ein drehbares Rondell, verbunden mit zwei jeweils 40 Meter langen Bahnen, die hinauf zu zwei asymmetrischen Plateaus führen. Leuchtende Kugeln, die zum Klang eines Chorals von der Decke schweben.

Eine Drohne, die durch den Raum gleitet, und denen, die auf den Rängen sitzen, beängstigend nahe kommt. Deckenhohe Gazefahnen, auf die all die Bilder des Grauens, des Verfalls und der Zerstörung projiziert werden. In einer Optik, die fast schon 3D-Qualität hat. Die Arena wird zum surrealistischen Theaterraum.

Mitten drin und immer wieder woanders

Im Zentrum des Abends: Sänger, Gitarrist und Pianist Matthew Bellamy (37), Drummer Dominic Howard (38) und Bassist Christopher Wolstenholme (37). Einen Zusatz-Keyboarder gibt es auch noch, aber der verschwindet halb in der Versenkung, auch zum Schlussapplaus darf er seinen Aushub in der Mittelbühne nicht verlassen. Muse machen Rock 'n' Roll. Richtig lauten, fiesen Rock 'n' Roll, der beinahe schon Punk ist. Könnte man meinen, wenn man Sonntagabend von „Psycho“ erbarmungslos durchgepeitscht wird oder bei „Reapers“ die Riffs so sägeblättrig scharf rüberkommen, als würde man geschreddert. Stellenweise geht das zu Lasten der Textverständlichkeit, aber das ist in diesem Fall kein Problem. Die Fans kennen jede Zeile. Auf dem YouTube-Kanal der Band können erste Eindrücke gewonnen werden.

Es braucht nicht erst das epische, immens vielschichtige „The Globalist“, als letztes Stück vor der Reprise mit den leuchtenden Ballons, die den Abend als futuristisches Ballett umrahmen, um zu begreifen, dass das mit dem Rock 'n' Roll, der fast schon Punk ist, zu einfach wäre. Nicht nur wegen des ganzen ideologischen Überbaus – bei „Drones“ geht es um einen Soldaten, der in eine menschliche Drohne verwandelt wird, wogegen er sich zur Wehr setzt – sondern auch, weil der musikalische Muse-Kosmos voller Zitate steckt. Da gibt es retrospektive Anklänge an The Cure und an Midge Ure, Passagen, die wie Bach'sche Fugen oder gregorianische Gesänge anmuten und cineastische Bezüge. Ennio Morricone ist einer der Helden der drei Briten. Und sie borgen sich mehr von ihm aus, als bloß eine Mundharmonika.

Wie filigran Bellamys Stimme klingen kann, merkt man bei „Time is running out“, das förmlich vor Verzweiflung vibriert: „Bury it, I won't let you bury it, I won't let you smother it, I won't let you murder it.” Schlimmer kann sich das Gefühl des Verlassenwerdens nicht anfühlen. Und nicht schöner besungen. Das hallt noch lange nach, selbst dann noch, als Muse ihre drei Zugaben nahtlos an den Hauptteil des Konzerts anstricken. Zu diesem Zeitpunkt stellt sich so etwas wie ein leiser Kater ein. So viele Reize – optisch, akustisch, emotional – über zwei Stunden hinweg fordern allmählich ihren Tribut. Da ist man fast schon froh über Bellamys Gitarre, die er, unausgeschaltet, auf einer der Außenbühnen liegen lässt. Die Rückkopplung brummt infernalisch. Nichts wie weg hier.

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