GA verlost zwei Karten Sting spricht im Interview über sein neues Album

BONN · Der britische Musiker und frühere Police-Sänger Sting gastiert im Juli mit dem Projekt "My Songs" auf dem Bonner KunstRasen. Wir verlosen zwei Karten für das Konzert.

GA: Sting, stimmt es, dass Ihnen die Idee zum Album „My Songs“ kam, als Sie ihr Stück „Brand New Day“ für einen Silvesterauftritt am New Yorker Times Square überarbeitet haben?

Sting: Ja, das war der Ursprung des Ganzen. Wir hatten so viel Spaß mit „Brand New Day“, dass ich dachte, womöglich wäre es lustig, sich auch die anderen Songs vorzunehmen und zu schauen, ob wir sie anders oder zeitgemäßer machen können.

GA: Macht die Stimme das mit?

Sting: Zweifelsohne klingt meine Stimme heute anders als vor 20, 30 Jahren. Sie ist geschmeidiger und reicher strukturiert, und sie hat eine tiefere Qualität.

GA: Aber?

Sting: Die Aufnahmetechniken haben sich verändert, mein musikalisches Gefühl ist heute auch ein anderes. Ich sage nicht, die neuen Versionen seien besser oder schlechter als die anderen. Ich sage nur: Sie sind anders.

GA: War es für Sie eine leichte Übung, zu jenen Songs zurückzukehren, die Sie zum Teil vor 40 Jahren geschrieben haben?

Sting: Ja, denn diese Songs und ich, wir sind uns sehr vertraut. Ich singe diese Lieder schließlich Abend für Abend bei der Arbeit. Und ich singe sie leidenschaftlich gern. Ich bin mir sicher, ich kenne meine Lieder heute besser als früher. Einige der Nummern haben wir kaum verändert, andere recht stark. Immer so, wie es sich richtig und gut anfühlte. Regeln gab es nicht.

GA: Sind die Songs Ihre Freunde?

Sting: Mir sind sie jedenfalls alle sehr sympathisch (lacht). Wenn du einen neuen Song aufnimmst, ist das der Beginn einer Beziehung, das ist aufregend, aber du weißt noch nicht, wie sich diese Beziehung mit der Zeit entwickeln wird. Eine Beziehung, die über Jahre besteht, ist etwas ganz anderes. Da ist mehr Wissen, tatsächlich auch mehr Liebe, aufrichtige, tiefe Liebe.

GA: Sie würden also die Zuneigung zu ihrer Musik mit der Liebe zu Ihrer Frau gleichsetzen?

Sting: Ich will den Vergleich nicht überstrapazieren, aber es gibt durchaus Parallelen. Ich nehme meine Songs sehr ernst, ich behandele sie gut und beschäftige mich intensiv mit ihnen.

GA: Und Ihre Frau?

Sting: Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich immer Trudie wählen. Ich liebe sie immer noch sehr und bin stolz auf unsere lange Ehe.

GA: Um im Bild zu bleiben: Ist Ihre Liebe mit den Jahren gewachsen und intensiver geworden?

Sting: Kann Liebe wachsen? Ich denke, sie reift und wird dadurch stabiler. Aber auch durch eine lange funktionierende Beziehung kannst du nicht einfach gedankenlos hindurchnavigieren und sagen „Ist alles super“.

GA: Was ist zu tun?

Sting: Jeder Tag in einer Ehe bringt neue Verhandlungen mit sich. Das Fundament einer Ehe sind Kompromisse. Manchmal sind diese Kompromisse schwer zu finden, aber ich meine, die Anstrengung, sich immer wieder in der Mitte zu treffen, ist eine lohnende.

GA: Haben Sie eigentlich ständig neue Songideen im Kopf?

Sting: Oh nein, das wäre schön. Das mit den Songs ist wie Angeln. Manchmal beißt einer an, manchmal nicht. Wichtig ist nur, dass du immer schön nah am Fluss sitzen bleibst, also offen und bereit bist, wenn dir die Inspiration begegnet.

GA: So einfach ist das?

Sting: Nun, meist schreibe ich einfach über das, was mir gerade passiert oder was ich sehe. Ich wünschte, es gäbe irgendwo einen Knopf, den ich drücken könnte, damit die Ideen strömen. Aber der Knopf verändert ständig Form und Farbe, ich finde ihn nur selten.

GA: Ein paar passende Knöpfe haben Sie in den gut vier Jahrzehnten ohne Zweifel gedrückt.

Sting: Ja, aber es gibt keine Garantie. Jedes Mal, wenn ich einen Song fertig habe, frage ich mich, ob es wohl der letzte war.

GA: Im Ernst?

Sting: Ja, natürlich. So ticke ich aber ohnehin. Ich frage mich auch bei jeder Mahlzeit, ob es wohl die letzte sein könnte. Das Zusammenspiel von Leben und Tod fasziniert mich. Und daraus folgt: Genieße, was du hast. So lange du es hast.

GA: Eine gute Philosophie, um durchs Leben zu kommen?

Sting: Aus meiner Erfahrung ja. Aber ich habe das Konzept nicht erfunden. Das waren die Stoiker aus dem alten Griechenland.

GA: Sie identifizieren sich mit dem Stoizismus?

Sting: Schon, ja. Ich habe die „Meditationen“ von Marcus Aurelius gelesen. Er plädiert darin für ein einfaches Leben und für die Akzeptanz der guten wie der schlechten Zeiten. Mein eigenes Leben hatte früher einige extreme Höhen und Tiefen – es war bisweilen sehr dramatisch. Heute begnüge ich mich gern mit einem langsamen, sanften Anstieg. Ich bin glücklich und zufrieden, so lange mich das Leben nicht an eine steile Klippe führt.

GA: Sind Sie denn ein Stoiker?

Sting: Definitiv. In meinem Beruf kannst du leicht süchtig werden nach den Extremen. Viele meiner Kollegen haben nicht überlebt, weil sie das Drama in ihrem Leben nicht mehr ausgehalten haben. Ich bevorzuge – innerhalb meiner anspruchsvollen, häufig hektischen Arbeit – ein ruhiges, gemächliches Leben.

GA: Bringt Sie überhaupt etwas aus der Ruhe?

Sting: Ich mache gern den Eindruck, ein Fels in der Brandung zu sein. Wenn mich etwas aufregt, neige ich dazu, mir den Ärger nicht anmerken zu lassen.

GA: Haben Sie vor irgendetwas Angst?

Sting: Ja, eindeutig. Ich bin mutig, aber selbst die mutigsten Menschen haben Ängste. Ich zum Beispiel fürchte mich vor Bären und Drachen (lacht). Obwohl ich weder das eine noch das andere bisher gesehen habe.

GA: Und ganz ehrlich?

Sting: Vor dem Klimawandel. Der ist gefährlicher als alle Bären.

GA: Die Jugendlichen gehen jetzt gegen Erderwärmung und Umweltzerstörung auf die Straße. Was sagen Sie dazu?

Sting: Die Jugend macht was, aber die Politiker nicht. Ich kann nur an die Menschen appellieren, für jene Politiker zu stimmen, die das Problem angehen anstatt bloß dummes Zeug zu reden.

GA: Stichwort Europawahl. Als Brite durften Sie überraschenderweise mitwählen. Haben Sie?

Sting: Ich wähle immer, wenn ich dazu aufgerufen bin. Ich habe vor drei Jahren für den Verbleib in der EU gestimmt, und irgendwie hoffe ich immer noch, dass wir irgendwie in der Gemeinschaft bleiben. Ich sehe einfach keinen Grund, die EU zu verlassen.

GA: Die Mehrheit war anderer Ansicht. Unumkehrbar?

Sting: Gut möglich, dass wir inzwischen in der Mehrheit sind. Ich finde, es muss ein zweites Referendum geben – jetzt, wo die Informationen und die Nachteile offen auf dem Tisch liegen. Ich denke, jetzt würden die Menschen klüger abstimmen.

GA: Was sind Sie? Brite? Europäer? Weltbürger?

Sting: Ich bin ein Brite, der für Europa einsteht.

GA: Bevor Sie Musiker wurden, waren Sie Lehrer. Was ist heutzutage das Wichtigste, das Sie Kindern beibringen würden?

Sting: Enthusiasmus zu wecken – für ein Buch, für ein Gedicht, für ein Gemälde. Man kann niemandem etwas beibringen, was ihn gar nicht interessiert. Es geht darum, Begeisterung zu entfachen.

GA: Sie werden äußerlich kaum älter. Wie machen Sie das?

Sting: Ich bin fit – und neugierig auf das, was das Leben bietet. Ich bin glücklich. Ich bin gern 67 Jahre alt, das ist ein gutes Alter. Du hast die Weisheit, aber immer noch auch die Wildheit.

GA: Sie haben vor drei Jahren das erste Konzert im Pariser Bataclan nach der Wiedereröffnung gespielt. Auch Ihre aktuelle Tour begann in Paris. Hat die Stadt eine besondere Bedeutung für Sie?

Sting: Paris hat mich immer sehr stark stimuliert. Ich liebe diese Stadt, sie ist unfassbar schön.

GA: Nach dem Brand in Notre Dame haben mehrere Milliardäre große Summen für den Wiederaufbau gespendet.

Sting: Ich war keiner von ihnen. Ich bin kein Milliardär.

GA: Vielleicht nächstes Jahr: Sie haben ein festes Engagement im Caesars Palace in Las Vegas. Sind Sie für Vegas nicht zu jung?

Sting: Das habe ich auch immer geglaubt. Aber ich probiere das jetzt aus. Das Schöne ist: Ich habe meinen eigenen Konzertsaal. Ich kann eine Atmosphäre schaffen, die zu hundert Prozent meinen Vorstellungen entspricht.

GA: Kann man Ihre Sommertour mit Konzerten wie in Bonn als „Greatest Hits“-Tour bezeichnen?

Sting: Och, warum nicht? Ich kann mich doch glücklich schätzen, überhaupt so viele Hits zu haben. Deutlich mehr als einen. Das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Viele Musiker haben ja nur einen einzigen Hit. Oder sogar gar keinen.

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