Charles de Gaulle und Salvador Dalí Als der Schnurrbart am Nagel hing

Johannes Wasmuth hatte einen ungewöhnlichen Plan: Salvador Dalí sollte Charles de Gaulle porträtieren. Zur Absprache besuchte Wasmuth den Maler in seiner Villa. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Begegnung.

 Freund pompöser Auftritte: General Charles de Gaulle.

Freund pompöser Auftritte: General Charles de Gaulle.

Foto: AFP

Vor zwanzig Jahren starb am 16. September 1996 unerwartet Johannes Wasmuth, der in den 60er Jahren den Abriss des Bahnhofs Rolandseck verhindert und ihn ideenreich zum Kulturzentrum hergerichtet hatte. Einer seiner ungewöhnlichsten Pläne ist bisher unbekannt geblieben: Der surrealistische Maler Salvador Dalí hätte den französischen Präsidenten Charles de Gaulle porträtieren sollen. Über die damaligen Ereignisse wird hier zum ersten Mal berichtet.

Wasmuth war ein pragmatisch denkender Visionär: Zur Finanzierung seiner sozialen Projekte bewog er mit viel Engagement namhafte Künstler wie Max Ernst, Hans Arp und Günther Ücker, ihm unentgeltlich Bilder für seine Kunstauktionen zur Verfügung zu stellen, deren Erlös bedürftigen Kindern zugutekommen sollte.

Alt-Bundeskanzler Konrad Adenauer erklärte sich auf Vorschlag Wasmuths dazu bereit, sich von Oskar Kokoschka abbilden zu lassen; als Stifter des beträchtlichen Honorars gewann Wasmuth eine Illustrierte, indem er in Aussicht stellte, dass das Gemälde mit einer deutlich sichtbaren Widmung des Stifters im Bundestag aufgehängt werden sollte. Darüber hinaus erreichte Wasmuth nachträglich, dass Kokoschka zugunsten von Kindern obdachloser Menschen sogar auf sein gesamtes Honorar verzichtete. „So ein rührender Gedanke“, fand Adenauer: „Sehr jeschickte Idee: Die Kinder kriejen das Jeld.“

Nach Abschluss des Adenauer-Kokoschka-Projekts ging Wasmuth noch einen Schritt weiter: Salvador Dalí sollte den französischen Ex-Präsidenten Charles de Gaulle malen. Ein gewagtes Unterfangen, dessen Ausgang kaum einzuschätzen war. Würden die kon-trären Charaktere einander ertragen? Wasmuth meinte gelassen: „Wie Adenauer und Kokoschka werden auch diese beiden Herren sich gut verstehen.“

Kontakt zur Botschaft in Bonn

Dennoch erkannte er, dass nur ausgeprägtes diplomatisches Gespür ihm die Tür zu diesen beiden außergewöhnlichen Personen öffnen könnte. Daher wurde zunächst der französische Botschafter in Bonn, Seydoux de Clousonne, privat konsultiert, der dem Vorhaben wohlwollend zustimmte und es an den Kulturattaché Corde do Male weiterempfahl, einen mit ungezwungenem Charme geschickt taktierenden Diplomaten.

Dieser suchte den Freundeskreis de Gaulles auf und ließ während einer entspannten Gesprächspause die Porträt-Idee einfließen; sie wurde zwar als ungewöhnlich, aber auch als ehrenvoll angesehen. Als wenig später de Gaulle selbst davon erfuhr und außerdem noch den Hinweis bekam, auch Konrad Adenauer habe sich von einem Maler porträtieren lassen, stimmte der General nach einigen Tagen Bedenkzeit zu.

Obwohl das Anklopfen bei Dalí nach dieser Zusage um einiges leichter geworden war, wollte Wasmuth behutsam vorgehen und den exzentrischen Künstler in einer Phase gehobener Gemütsverfassung erreichen. Um dessen aktuelle Stimmung in Erfahrung zu bringen, waren Dalís Vertraute und seine Frau Gala gefragt.

Diesmal war die Tochter des Kulturattachés die Vermittlerin, die als Malerin auch mit spanischen Künstlern in Verbindung stand. In einem zugänglichen Moment präsentierte man Dalí und Gala die Idee. Dass der General sie bereits gebilligt hatte, wertete der Künstler als Reverenz vor seinem genialen Talent, so dass er (nach einem Blickwechsel mit Gala) einwilligte.

Ein Besuch in Dalís Flachbau-Villa

Man teilte Wasmuth die Tage im Monat August 1970 mit, an denen er in Dalís Sommerdomizil in Portlligat, nahe dem Fischerdorf Cadaqués, erwartet wurde, damit man sich kennen lernen und das Finanzielle besprechen könne. Und so erreichte Johannes Wasmuth mit der Dolmetscherin Brigitte Klugkist um die Mittagsstunde Dalís Flachbau-Villa.

Wie alle Häuser an der Costa Brava war auch diese weiß getüncht, allerdings wölbte sich schon von weitem sichtbar eine Kuppel aus mit bourbonischen Lilien verzierten blauem Stoff über den Innenhof, was dem Anwesen ein besonderes Aussehen verlieh. Die Dolmetscherin hat die folgenden Ereignisse dem Verfasser dieses Textes detailliert beschrieben.

Ein in Schwarz gekleidetes Dienstmädchen mit weißer Schürze und Häubchen führte die Gäste in ein kleines „Antichambre“, wo sich ein ausgestopfter lebensgroßer Bär befand, der voll mit Ketten und modernem Schmuck aller Art behängt war. Nach herrschaftlicher Wartezeit durften sie durch einen spiralförmigen lichtgedämmten Gang (vorbei an merkwürdigen Dingen wie einem Skelett) in den Salon gehen, wo sie Dali (die Hose gehalten von edelweiß-geschmückten, bayerischen Trägern) und Gala freundlich begrüßten und zu einem üppig gedeckten Esstisch führten. Es gab Hummer.

Eine Vorliebe für Könige

Schon während der Mahlzeit kam Dalí auf das Porträt zu sprechen: Es sei nicht nur interessant, sondern auch gerechtfertigt, dass bedeutsame Staatsoberhäupter und Regenten auf Gemälden dargestellt werden, denn diese müssten auch späteren Generationen noch präsent sein. Er habe eine Vorliebe für Könige, einige Monarchen bewundere er sogar, darunter sei auch der deutsche Kaiser Wilhelm II.

Am späteren Nachmittag des folgenden Tages startete dann eine Show, ein farbenprächtiges Künstlerfest, das atmosphärisch entscheidend dazu beitrug, dass Wasmuth rascher als erwartet die „Porträt-Zusage“ erhielt. Denn das nun veranstaltete Happening verscheuchte die letzten noch vorhandenen Bedenken bei den Dalís, sowohl bei Salvador wie bei Gala.

Das Schauspiel begann unmittelbar vor Dalís Domizil. Stehend in einem Ruderboot schmetterte der spanische Sänger und Gitarrist Manita de Plata feurige Liebeslieder und näherte sich langsam dem Strand, wo ihn Dali (in lila samtenem Frack) mit seinen Gästen erwartete. In einem improvisierten Aufzug begab man sich in den mit merkwürdigen Installationen und Utensilien versehenen Garten.

Dort hatte der neckische Gastgeber eine Überraschung vorbereitet. Wie bei einem Schneegestöber rieselten unzählige Daunen von der blauen Zeltdecke auf die Anwesenden herab, die nun notgedrungen damit beschäftigt waren, diese aus ihren Haaren zu entfernen, um sie dann gleich wieder dem Nachbarn zuzupusten. Es war ein kindliches Vergnügen, das auch Salvador Dalí erfasste. Er tat, was nur in besonderen Momenten geschah – er nahm seinen aufgeklebten spitzen Schnurrbart ab und hängte ihn an einen Nagel.

Ein Nicken und Lächeln zum Abschluss

Während dieses phantasievolle Ereignis bei beschwingter Musik und schmackhaften Köstlichkeiten alle Anwesenden in eine vergnügt-heitere Stimmung versetzte, sah Wasmuth den Augenblick gekommen, die Entscheidung herbeizuführen. Er wandte sich Gala zu, die im Hause Dalí stets die finanziellen Angelegenheiten regelte, und gab ihr zu erkennen, man könne doch jetzt über das Honorar sprechen.

Kein Dritter sollte dabei sein – obgleich Wasmuth und Gala nicht in der Lage waren, sich sprachlich zu verständigen. Unterstützt durch ein im Wechsel verlaufendes Mienenspiel verhandelten sie mit Hilfe von Papier und Stift, indem sie Zahlen aufschrieben, bis beide nickend und zufrieden lächelnd einen Betrag akzeptierten – wie hoch der war, ist leider nicht überliefert. So wurde das Vorhaben in einer Atmosphäre unbeschwerter Fröhlichkeit besiegelt.

Dass Salvador Dalí den von ihm als „majestätischen“ Staatsmann akzeptierten de Gaulle letztlich doch nicht porträtierte, lag am gesundheitlichen Zustand des einstigen französischen Präsidenten, der sich seit Herbstbeginn zunehmend unpässlich fühlte und am 9. November 1970 verstarb. Dass dieses Vorhaben nicht zustande kam, ist überaus zu bedauern, denn Wasmuth stellte sein Projekt „Maler porträtieren Politiker“ daraufhin ein. Auch der Kunstwelt ging dadurch sicherlich ein außer-gewöhnliches Porträt verlustig, das der palettenreichen Malerei Dalis gewiss eine weitere Variante hinzugefügt hätte.

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