Geldgeschenke per Post in der Vorweihnachtszeit Ärger über aufgerissene Briefe

Düsseldorf/Bonn · In Düsseldorf klagen Anwohner in der Vorweihnachtszeit vermehrt über nicht zugestellte oder aufgerissene Briefe. Kein Einzelfall in NRW. Die Polizei ist weitestgehend machtlos. In Bonn gab es 2018 elf Fälle von Verletzungen des Briefgeheimnisses.

 In Düsseldorf klagen Anwohner in der Vorweihnachtszeit vermehrt über nicht zugestellte oder aufgerissene Briefe. (Symbolbild)

In Düsseldorf klagen Anwohner in der Vorweihnachtszeit vermehrt über nicht zugestellte oder aufgerissene Briefe. (Symbolbild)

Foto: dpa/Malte Christians

Als Andrea Siebel* vor kurzem zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage einen aufgerissenen Brief aus ihrem Briefkasten holt, fragt die Düsseldorferin in der Nachbarschaft nach, ob dort ähnliche Fälle bekannt sind. „Hat von euch auch noch jemand Probleme damit“, schreibt sie in die WhatsApp-Gruppe, in der sich die Nachbarn organisiert haben. Postwendend erhält sie Antwort. Gleich mehrere Nachbarn melden sich. „Wir hatten wieder den Fall, dass eine Danksagungskarte nicht ankam“, schreibt eine Anwohnerin, eine andere berichtet das Gleiche. Ein weiterer Nachbar klagt, dass die Geburtstagskarte der Tante mit Geldscheinen für seinen Sohn nicht zugestellt worden sei.

Bei den Briefen handelt es sich fast ausschließlich um Glückwunschkarten in meist farbigen Umschlägen. Betroffen sind offenbar Anwohner eines ganzen Viertels in Düsseldorf. An Zufall will bei der Häufung der Fälle keiner in der Nachbarschaft glauben. Willi Jäger, der gleich mehrere aufgerissene Brief erhalten hat, wollte es aber genau wissen. Er warf zu Testzwecken selbst vier Briefe in verschiedene Briefkästen ein, die er an Nachbarn adressierte. Er wartete mehrere Tage ab. „Zwei Briefe sind nicht angekommen, einer kam aufgerissen. Nur einer kam unversehrt an“, sagt er.

Bei der Verbraucherschutzzentrale NRW kennt man solche Fälle sehr gut. Für Beschwerden mit Briefen und Pakten hat man sogar eigens die Seite „post-ärger.de“ ins Leben gerufen, auf der Betroffene ihre Fälle unter anderem an eine digitale Pinnwand schreiben können. Gleich an zweiter Stelle berichtet dort eine Frau von einem Einschreiben. „Das wurde geöffnet, das Geld entnommen und mit durchsichtigem Klebeband wieder verschlossen. Aufreiß­spuren sind erkennbar“, schreibt sie.

Die Zahl der Beschwerden über Mängel bei der Postzustellung hat sich im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. Insgesamt sind etwa 12.500 Beschwerden bei der Bundesnetzagentur eingegangen.

Die Anwohner in Düsseldorf vermuten, dass möglicherweise Mitarbeiter der Post die Briefe aufreißen, weil sie Geld darin vermuten. Die Briefträger haben sie aber nicht in Verdacht. „Das wäre zu leicht nachzuvollziehen. Wenn, dann passiert das vermutlich in einem Verteilerzentrum“, meint Jäger.

Die Polizei ist weitestgehend machtlos. „Uns fehlen die Kapazitäten dafür, jeden einzelnen Brief nachzuverfolgen“, sagt ein Sprecher. Aber trotzdem sollte man die Fälle bei der Polizei melden und zur Anzeige bringen. „Wenn sich das in einer bestimmten Gegend sehr auffällig häuft, gehen auch wir dem nach“, so der Sprecher. Dem stimmt Simon Rott von der Polizei Bonn zu: „Wer einen aufgerissenen Brief erhält, sollte dies unbedingt der Polizei mitteilen“, sagt er. „Im vergangenen Jahr hatten wir in Bonn elf Fälle von Verletzungen des Briefgeheimnisses.“ Momentan seien ihm keine Fälle bekannt. „Das muss aber nichts heißen: So etwas könnte öfter vorkommen, ohne dass es gemeldet wird.“ Er appelliert eindringlich, auf keinen Fall Bargeld mit der Post zu verschicken.

Die Post räumt ein, dass so etwas vorkommen kann. „Auch bei uns gibt es sicherlich Menschen mit krimineller Energie – so wie in allen anderen Unternehmen auch. Das sind aber mit Sicherheit Einzelfälle“, sagt ein Sprecher. Bei der Post gebe es Detektive, die solche Sachen ermitteln, wenn sie entsprechende Hinweise erhalten. Sie können den Weg des Briefes bis zum Zusteller zurückverfolgen. Darum rät er allen Betroffenen, sich bei der Post zu melden. Häufig steckten aber ganz banale Gründe dahinter. „Die Briefe können durch Maschinen beschädigt werden. Es kommt auch vor, dass Briefe zusammenkleben und sie versehentlich vom Postboten auseinandergerissen werden“, erklärt der Sprecher. Grundsätzlich aber gehöre Geld nicht in einen Briefumschlag, den man verschicken möchte. „Das ist sogar verboten“, sagt der Sprecher. Wer schon Geld mit der Post verschicken möchte, dem rät er, das mit einem Wertbrief zu machen. Das sei zwar teurer, aber im Verlustfall sei man versichert.

Das rät auch Heinemann von der Verbraucherschutzentrale NRW. „Ein solcher Wertbrief kostet 4,30 Euro zusätzlich zum Porto. Damit sind aber Beträge bis zu 100 Euro versichert“, erklärt sie. Wer möglichst sicher sein will, dass seine Glückwunschkarten auch beim Empfänger ankommen, sollte auf bunte Kuverts verzichten. „Daran erkennen schwarze Schafe solche Karten“, sagt sie. Auch käme es immer wieder vor, dass in Alufolie gewickeltes Geld verschickt werde. „Das sollte man auf keinen Fall machen. Durch das Knistern erkennen die Täter schnell, dass da Geld drin sein könnte“, so die Expertin. Betroffene sollte sich auf jeden Fall bei der Beschwerdestelle der Post melden – und das wiederholt, wenn sich nichts tut.

Manchmal landen Briefe, die nicht angekommen sind, auch in Marburg. Dort sitzt die Ermittlungsstelle für unzustellbare Briefe und Pakete der Post. „Manchmal werden dort auch Briefe aufgerissen, weil man sich im Inhalt Erkenntnisse über den Absender oder Empfänger erhofft“, sagt der Postsprecher. Diese Briefe werden dann bei einer Zustellung entsprechend gekennzeichnet.

Willi Jäger hat auch einen zweiten Test gemacht. Diesmal warf er vier Briefe in einem anderen Stadtteil ein. „Diese kamen alle an“, sagt er.

*Namen aller Anwohner geändert

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