Neu im Kino: „Der Fall Richard Jewell“ Clint Eastwoods Drama über das Olympia-Attentat von Atlanta

Bonn · Der mittlerweile 90-jährige Hollywoodstar erzählt in seinem neuen Film „Der Fall Richard Jewell“ die bewegende Geschichte eines Helden, der zum Verdächtigen wurde.

 Paul Walter spielt den Titelhelden in Clint Eastwoods Film „Der Fall Richard Jewell“.

Paul Walter spielt den Titelhelden in Clint Eastwoods Film „Der Fall Richard Jewell“.

Foto: Verleih

Gerade einmal drei Tage lang wurde Richard Jewell als Held gefeiert. Während der Olympischen Spiele in Atlanta hatte der Wachmann am 27. Juli 1996 bei einem Open-Air-Konzert einen verdächtigen Rucksack entdeckt, in dem sich eine Bombe befand. Mit anderen Ordnungskräfte räumte er das direkte Umfeld, so dass die nachfolgende Explosion zwar zahlreiche Verletzte, jedoch nur eine Tote forderte.

Aber innerhalb kürzester Zeit wurde der Held zum Verdächtigen. Das FBI ermittelte gegen Jewell, dem vorgeworfen wurde, dass er selbst die Bombe gelegt habe, um sich als „falscher Retter“ in der Öffentlichkeit präsentieren zu können.

Drei Monate lang war Jewell nicht nur den Ermittlungen und Verhören der Bundespolizei ausgesetzt, sondern vor allem auch der Belagerung durch die Presse, die seinen Fall mit einem hohen Maß an Vorverurteilung aufgriff. Erst sieben Jahre später wurde der wirkliche Täter gestellt: Ein Rechtsradikaler, der noch in zwei Abtreibungskliniken und einer Lesben-Bar Bomben zur Explosion gebracht hatte.

Eastwood rollt die Angelegenheit noch einmal auf

Nun rollt Clint Eastwood in seiner neuen Regiearbeit „Der Fall Richard Jewell“ die Angelegenheit noch einmal auf. Schon in „Sully“ hatte Eastwood mit dem Piloten Chesley Sullenberger einen Alltagshelden porträtiert, der 155 Passagieren mit einer Notlandung das Leben rettete und sich vor der Flugbehörde für das riskante Manöver rechtfertigen musste.

War dieser Sully ein Mann, der einfach seinen Job mit Berufserfahrung und Verantwortungsgefühl machte, ist der Fall von Richard Jewell deutlich komplizierter. Mit seinem herausragenden Hauptdarsteller Paul Walter Hauser („I, Tonya“) zeichnet der Film das Bild eines Menschen, der einen großen Respekt vor Autoritäten hat und sich danach sehnt, selbst eine Autorität zu sein. Richard, der zunächst als Hauspostbote in einem Bürogebäude und später als Wachmann auf einem Uni-Campus arbeitet, träumt Zeit seines Lebens davon Polizist zu werden. Dabei wird ihm sein beruflicher Übereifer oft zum Problem – etwa wenn er mit dem Schlagstock in der Hand eine kleine Party im Studentenwohnheim unterbinden will. Aber genau dieser Übereifer und sein Faible für die Einhaltung von Sicherheitsprotokollen ist es, die beim Anschlag in Atlanta vielen Menschen das Leben rettet.

Jon Hamm als zweifelhafter Profiler

Für den Profiler des FBI Tom Shaw (Jon Hamm) hingegen ist ein Mann wie Richard ein gefundenes Fressen. Der korpulente Junggeselle, der immer noch bei seiner Mutter wohnt, sich nach Aufmerksamkeit sehnt, zu Hause ein imposantes Arsenal an Schusswaffen hortet und sich in den Verhören um Kopf und Kragen redet, bietet auch ohne harte Beweise den idealen Verdächtigen. Auch für die zynische Journalistin Cathy Scruggs (Olivia Wilde) vom „Atlanta Journal-Constitution“ ist der vermeintliche Psychopath eine verdammt gute Titelstory. In gewohnt schnörkelloser Weise erzählt der gerade 90 Jahre alt gewordene Eastwood diese Geschichte und baut sie zu einem Lehrstück über Vorurteile und Vorverurteilungen aus. Dabei nimmt er Ermittlungsbehörden und skandalsüchtige Presse direkt ins Visier, verweist aber darüber hinaus auf eine manipulierbare Öffentlichkeit, der schlüssige Täterprofile wichtiger sind als die widersprüchliche Wahrheit.

Insofern passt diese Fallbeschreibung aus den 90ern bestens in die heutige Welt „alternativer Fakten“ und abgeschlossener Wahrnehmungs- und Meinungsblasen.

Aber gerade weil Eastwood und sein Drehbuchautor Billy Ray sich derart überzeugend für eine differenzierte Sicht auf den unschuldigen Verdächtigen einsetzen, hätte man ihnen bei der Darstellung der investigativen Journalistin Cathy Scruggs selbst ein wenig von der eingeforderten Unvoreingenommenheit gewünscht. Dass die Reporterin dem FBI-Mann für ein paar Informationen ihre erotischen Dienste anbietet, ist reine Erfindung und ein billiges sexistisches Klischee, mit dem der Film das eigene Anliegen nachhaltig beschädigt.

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