Beethoven-Abend in der Kölner Philharmonie Daniel Barenboim kam mit eigenem Flügel

Köln · Der Pianist begeisterte im ausverkauften Konzertsaal 2000 Konzertbesucher. Insgesamt vier Klaviersonaten standen auf dem Programm.

 Dankbar für den Beifall: Daniel Barenboim in der Philharmonie.

Dankbar für den Beifall: Daniel Barenboim in der Philharmonie.

Foto: Thomas Brill

In seinem Poem „Die Huster von Köln“ porträtierte der Pianist Alfred Brendel vor mehr als 20 Jahren einen fiktiven „Hust- und Klatschverein“, für dessen Mitglieder man sich die Philharmonie als idealen Lebensraum vorstellen muss. Der ausverkaufte Kölner Klavierabend von Daniel Barenboims wirkte ein bisschen wie die jährliche Hauptversammlung des Vereins, es wurde jedenfalls so arg gehustet, dass der Musiker sich während der Klaviersonate in Es-Dur op. 7 von Ludwig van Beethoven genötigt sah, aufzustehen, ein weißes Taschentuch vor den Mund zu halten, um dem Hustern im Publikum pantomimisch zu zeigen: „Seht her, so geht das!“

Insgesamt vier Klaviersonaten hatte Barenboim aus dem Schaffen Beethovens mitgebracht. Wobei er gar nicht mal auf die großen Schlachtrösser setzte, sondern sich – mit Ausnahme der op. 111 – unter den weniger gespielten Exemplaren der 32 Klaviersonaten des Komponisten umgesehen hatte. In der ersten  Programmhälfte stellte er die leichte, unkomplizierte dreisätzige Sonate in E-Dur op. 14 Nr. 1 der Sonate in Es-Dur op. 7 gegenüber, deren zeitliche Dimension sinfonische Ausmaße erreicht: Nach der „Hammerklaviersonate“ (op. 106) ist sie die zweitlängste Klaviersonate im Schaffen Beethovens überhaupt. In der zweiten Hälfte standen sich dann zwei zweisätzige Werke gegenüber: Die Sonate in F-Dur op. 54 und Beethovens letzte Klaviersonate in c-Moll op. 111.

Barenboim stiftet Zusammenhänge

Dennoch ist Barenboims Vortrag keine akademische Stilkunde, in der die Unterschiede zwischen dem frühen, dem mittleren und dem späten Beethoven herausgearbeitet werden. Er stiftet Zusammenhänge. Tatsächlich scheinen die Ausdruckswelten zwischen dem Largo aus op. 7 und dem Spätwerk gar nicht so weit auseinanderzuliegen. Barenboim, der auf dem nach seinen eigenen Klangvorstellungen konstruierten „Barenboim“-Flügel spielte, versenkte sich regelrecht in die Sphäre des Largos, spielte gesang­lich, mit grüblerischer Tiefe. In der leichten Sonate aus op. 14 betonte er nicht die jugendliche Unbeschwertheit, sondern rückte sie zumal im zweiten Satz in die Nähe der Melancholie Schubert’scher Ausdruckswelten.

Die mittlere Schaffensphase Beethovens wird gern als die  „heroische“ bezeichnet. Sein op. 54 in F-Dur fällt da völlig aus dem Rahmen. Hier ist kein Held weit und breit und auch kein Pathos, dafür aber Experiment und Überraschung wie in den unvermittelt einsetzenden Oktavgängen nach dem gesanglichen Einstieg, ein Kontrast, den Barenboim jedoch nicht zu sehr forcierte.

Nicht alles war technisch perfekt

Technisch war an diesem Abend nicht alles perfekt, doch auch wenn gelegentlich mal ein Lauf ein bisschen versandete, spürte man die ungemeine Gestaltungskraft. Auch in der letzten Klaviersonate, deren leidenschaftlicher c-Moll-Beginn im zweiten Satz von einer himmlisch gespielten Arietta abgelöst wurde. Vor allem das leise Verklingen der Musik nach der vulkanischen dritten Variation war bei Barenboim in besten Händen. Hier wurde der reine Klang Ereignis. Eine Zugabe wollte er danach trotz großer Begeisterung im Publikum nicht mehr geben.

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