25 Jahre BBC World News Die Evolution der Nachricht

London · 1991 rief die BBC mit zwölf Journalisten einen kleinen, internationalen Kanal ins Leben. Heute sendet ein globales Team in 200 Länder – und versucht, mit den seismischen Veränderungen in der Nachrichtenbranche Schritt zu halten.

 Herzkammer des elfstöckigen, offenen BBC-Nachrichten-Gebäudes: An den Nachrichtentischen im Erdgeschoss arbeiten 450 Journalisten für Fernseh-, Radio- und Onlinekanal nebeneinander.

Herzkammer des elfstöckigen, offenen BBC-Nachrichten-Gebäudes: An den Nachrichtentischen im Erdgeschoss arbeiten 450 Journalisten für Fernseh-, Radio- und Onlinekanal nebeneinander.

Foto: BBC

Es gibt Großraumbüros – mit 50, 60 Schreibtischen, an denen inzwischen viele deutsche Angestellte ihren Tag verbringen – und dann gibt es Großraumbüros. Elf offene Etagen, 450 Schreibtische allein im Erdgeschoss, Tausende Bildschirme und eine Crew von 3000 Mitarbeitern, die die unkalkulierbaren Krisen und Konflikte dieser Weltlage unfehlbar pünktlich und unaufgeregt transportieren muss: So sieht der 2013 eingeweihte, multimediale Newsroom der BBC in London aus.

„Es gehört zur Arbeitskultur im Königreich, dass man nicht an verschlossene Türen klopfen muss“, sagt Richard Porter, „Einzelbüros, auch persönliche Schreibtische, gibt es bei der BBC nicht mehr.“ Selbst er, Chefredakteur von BBC Global News, dem internationalen Online- und Fernsehauftritt, hat sich in der Früh einen freien Arbeitsplatz gesucht, wie er mit britischem Understatement kundtut: „Mein Schreibtisch ist mein Laptop, mehr braucht man nicht.“

Das Fehlen fester Arbeitsplätze ist nur ein Symptom für die Routine permanenter Veränderung, die das Nachrichtengeschäft antreibt. Bei den weltweit ausgestrahlten BBC-Fernsehnachrichten zeigt sich am deutlichsten, wie sich der ohnehin schnelllebige Journalistenberuf in 25 Jahren rasant beschleunigt hat. 1991, im Gründungsjahr des internationalen Kanals, schickte die BBC etwa den heutigen Star-Moderator Stephen Sackur, damals Novize am Mikrofon, mit einem Satellitentelefon in den Golfkrieg. „Ich war damals einer der ersten, die mit dieser Technik ausgerüstet worden sind“, erinnert er sich. Sie erwies sich als eher schwerfällig im Krieg: „Die zwei großen Aluminiumkoffer mit der Technik mussten von zwei Männern getragen werden.

Und immer, wenn wir endlich alles dort mühsam aufgebaut hatten und sendefähig waren, wo die Action stattfand, war das Geschehen weitergezogen.“ In den späten Neunzigern, als Washington-Korrespondent der BBC, kurbelte Sackur den Teleprompter selbst per Fuß mit einem kleinen Pedal unter dem Tisch an. Heute trägt er lediglich ein Smartphone in der Hosentasche: „Mehr braucht es nicht, um von überall auf der Welt, selbst aus entlegenen Ecken, eine Geschichte zu filmen und zu übertragen. Die mobile Technologie hat alles verändert.“

Die Veränderungen sind seismisch: Derzeit arbeitet der globale, englischsprachige Kanal daran, für sein ebenso globales Publikum die Sendungen automatisch synchronisieren zu lassen und sie damit in vielen Sprachen, die auf der Welt gesprochen werden, anzubieten. Im Keller der brummenden Nachrichtenzentrale experimentieren Produzenten mit 3-D-Hintergründen: Die Kamera filmt dabei Moderatoren, wie sie – dank Animation – über den Planeten Mars oder durch die Sixtinische Kapelle laufen.

85 Millionen Zuschauer pro Woche schalten rund um den Globus die World News der BBC ein (nicht enthalten in der Zahl sind die Nutzer der nationalen BBC-Programme im Königreich). Angefangen hat der Kanal 1991 mit zwölf Angestellten und einer einzigen 30-minütigen Weltnachrichten-Sendung am Tag für Europa. Heute hat BBC Global News 70 Fernsehstudios und 100 Korrespondentenstandorte weltweit.

Unbeschwert feiern kann der Sender den 25. Geburtstag seines internationalen Ablegers indes nicht. Schon seit ein paar Jahren macht sich nämlich ein neuer Trend bemerkbar: Jüngere Menschen schauen weniger Fernsehen, lassen sich durch starre Programmabläufe nicht mehr binden. Motto: mehr Netflix und individuelle Facebook Times, weniger 20-Uhr-Nachrichten.

Die Arbeitsdevise in dem perfekt für die Nachrichtenproduktion zugeschnittenen Gebäude lautet daher: Um zu überleben, muss die BBC den Nutzern geben, was sie wollen, wann sie es wollen und wie sie es wollen. An der einen 30-minütigen Nachrichtensendung, wie im Geburtsjahr des Senders, richtet heute im Westen kaum noch jemand seinen Alltag aus. Konsumenten erwarten sofortige Berichterstattung, permanent aktualisiert. Genau wie der Korrespondent im Sudan mit dem sendefähigen Handy-Studio in der Hosentasche, haben sie das Empfangsgerät für TV, Radio und Internet in der Hosentasche – ebenfalls alles im Handy. Die meisten Zugriffe auf die Weltnachrichten der BBC erfolgen inzwischen von mobilen, kleinen Endgeräte.

Diana Rusk, Redakteurin am Social Media Desk, wird da immer wichtiger: Sie steuert mit 25 Kollegen neue Plattformen zur Nachrichtenverteilung. 20 Millionen Anhänger hat der Sender auf Twitter, die Facebook-Seite ist gemessen an den „Likes“ die größte Facebook-Fanseite der Welt.

Steht im Foyer des BBC-Altbaus nebenan noch das königliche Mikrofon von König George V., so gehören heute Snapchat und Instagram zum Inventar. „Wir versuchen, neue Publikumsschichten und jüngere Frauen anzusprechen, um die wir traditionell mehr kämpfen müssen“, erklärt Rusk. Mit „Dataminer“ gräbt sie sich durchs Internet, um das nächste Trendthema zu erkennen und gibt die Ergebnisse zur Vorbereitung an den Newsroom weiter.

Über all den tastenden Versuchen, Leser, Zuschauer, Hörer zu behalten, deren Zeitbudgets selbst seismischen Veränderungen unterworfen sind, schwebt die Frage, wie in diesem wechselhaften Umfeld zuverlässig Geld zu verdienen ist. Anders als die große Mutter BBC finanziert sich BBC Global News nicht über die jährlichen 187 Euro, die jeder Haushalt an die britische Gebühreneinzugszentrale entrichten muss. Die internationale Sparte muss – weil 90 Prozent der Nutzer nicht aus dem Inland zuschalten – auf den Rundfunkbeitrag verzichten und sich durch Werbung finanzieren. Ein Drittel nimmt sie über Online-, ein Drittel über Fernsehwerbung und ein Drittel durch Pay-TV-Sender ein.

Diese Landschaft mit ihren verschiedenen Kanälen und Plattformen wird noch vielfältiger, wobei irgendwann auch ein Großbildfernseher als historisches Relikt in der Vitrine neben dem königlichen Mikrofon stehen mag. Nur in einem Punkt ist Porter sicher: „Internationale Nachrichten werden den Menschen angesichts von Terror, Krisen und Umweltkatastrophen immer wichtiger.“

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