Die GA-Krimi-Kolumne Klapperkarren und Dorfpolizisten

Bonn · Ist der Polizeiruf längst der bessere Tatort? GA-Krimikolumnist Daniel Schauff findet: ja. Der aktuelle Fall aus Frankfurt (Oder) zumindest vermeidet viele Fallen, in die der Tatort allzu oft tappt.

Kriminalhauptkommissar Vincent Ross (André Kaczmarczyk, r.) befragt Insolvenzverwalter Udo Schick (Bernhard Schir), dessen Mandant unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen ist, in dieser Szene des TV-Krimis „Polizeiruf 110: Der Gott des Bankrotts“

Foto: dpa/Volker Roloff

So viele Fallstricke gab’s. Nicht einen hat der Brandenburger Polizeiruf erwischt. Im Gegenteil, die erste Folge ohne Kommissar Raczek (Lucas Gregorowicz) rückt seinen Ex-Kollegen Vincent Ross (André Kaczmarczyk) und macht neugierig auf mehr. Mehr Ross, aber auch mehr Rogov (Frank Leo Schröder), der den Brandenburger Revierpolizisten spielt, eigentlich überall aneckt, beim Zuschauer aber vor allem eins auslöst: Sympathie. Wer den Ostbrandenburger kennt, weiß: Ja, genau so ist er. Gar nicht so einfach, das ohne den tiefen Griff in die Klischeekiste hinzukriegen.

Aber langsam und der Reihe nach. Dass Kaczmarczyk einen passablen Ermittler abgeben würde, war abzusehen, schon als er ein wohliges Gleichgewicht zum manchmal rüpelhaften Raczek ins Ost-Frankfurt brachte. Jetzt steht er allein da, irritiert in der dörflich und kleinstädtisch geprägten Pampa mit Kayal und lackierten Zehennägeln, kann aber deutlich mehr als Außenseiter. Vincent Ross, jetzt mit schicker Kurzhaarfrisur, ist Paradiesvogel und Traumschwiegersohn zugleich. Und ein konsequenter Ermittler obendrein. Eigentlich fast perfekt, auch weil keiner der bisherigen Polizeiruf-Folgen mit Ross zu einer der beiden Seiten gekippt ist, diesmal haben Mike Bäuml mit einem soliden Drehbuch und Felix Karolus mit einer optimalen Regie dafür gesorgt.

Wenig weltbewegend, und das ist gut so

Der Kriminalfall an sich: nicht weltbewegend, aber interessant. Das war bislang ohnehin das, was den Brandenburger Polizeiruf ausgemacht hat. Man ermittelt nicht im Weltgeschehen herum, weil das Geschehen entlang der deutsch-polnischen Grenze ausreichend Krimistoff parat hält. Immerhin kommen da zwei Systeme, zwei Welten zusammen, die irgendwann ein übergreifendes Polizeikommissariat nötig gemacht haben. Warum, das erklärt auch dieser Polizeiruf-Film: Manchmal ergibt es eben Sinn, dass der deutsche Ermittler einen Blick in die polnische Wohnung wirft, um nachzusehen, ob des Jägers Waffen allesamt noch da sind, wo sie hingehören.

Während die Kommissare im Tatort in der Regel die neuesten Modelle namhafter Autohersteller durch die Gegend fahren und am Ende jeder Folge ein freundlicher Hinweis auf die Produktionsunterstützung des Autobauers folgt, begnügt sich der Brandenburg-Polizeiruf mit alten, unauffälligen, teils leicht klapprigen Karren. Das ist fast ein Symbol, was der Polizeiruf lange war und weiter ist: der unprätentiösere Tatort – und nicht selten auch der bessere.