GA-Rezension Die neuen Alben der Raconteurs und Black Keys

Bonn · Jack White und die Black Keys lagen lange im Zwist. Jetzt feiern sie gegenseitig ihre jüngsten Neuerscheinungen.

 Die Black Keys: Dan Auerbach (links) und Patrick Carney.

Die Black Keys: Dan Auerbach (links) und Patrick Carney.

Foto: picture alliance/dpa

Dan Auerbach, die eine Hälfte der Black Keys, und Jack White, früher einmal eine Hälfte der White Stripes, haben ein paar Dinge gemeinsam. Sie singen, spielen Gitarre und lieben den Bluesrock. Und sie leben in Nashville, Tennessee, der Hauptstadt der amerikanischen Countrymusik. Vor ein paar Jahren konnte man sogar lesen, dass ihre Kinder dieselbe Schule in der Stadt besuchen. Doch beste Freunde wurden sie nicht. Tatsächlich kennt die Beziehung der begnadeten Musiker mehr Tiefen als Höhen. Zur Freude der Boulevardpresse lieferten sich White und die Black Keys einige Scharmützel von solcher Heftigkeit, wie man sie eher unter Rappern vermutet. Im Kern ging es immer darum, dass Jack White, Jahrgang 1975, den jüngeren Black Keys vorwarf, seine Musik zu kopieren.

Als White 2014 sein zweites Soloalbum „Lazaretto“ und die Black Keys ihr sechstes Studioalbum „Turn Blue“ herausbrachten, hatte die Fehde zwischen ihnen gerade einen Höhepunkt erreicht. Schon kurios, dass sie fünf Jahre später erneut fast gleichzeitig ihre jüngsten Schöpfungen auf den Markt bringen. Doch der Ton zwischen ihnen klingt nun versöhnlicher. Als die Black Keys ihre erste Singleauskopplung „Lo/Hi“ veröffentlichten, twitterte Whites eigenes Plattenlabel Third Man Records: „Ein weiterer Beweis dafür, dass Nashville-Rock-'n'-Roll lebendig und gesund ist. Gratulation zu dieser neuen Musik, @theblackkeys!”. Black-Keys-Schlagzeuger Patrick Carney kommentierte nun ähnlich freundschaftlich: „Dies ist ein großer Monat für den Rock 'n' Roll in Nashville – mit dem neuen Album der Raconteurs und unserem Album.“

Jack Whites Band The Raconteurs, die er 2005 mit Brendan Benson (Gesang, E-Gitarre), Jack Lawrence (Bass) und Patrick Keeler (Schlagzeug) gründete, legte nach dem zweiten Album „Consolers of the Lonely“ von 2008 erst einmal eine Pause ein, die sie in diesem Jahr mit ihrer aktuellen Tour und der Veröffentlichung des dritten Albums „Help Us Stranger“ (Third Man Records) beendeten. Schon beim Konzert im Mai in Köln, wo sie ein paar Stücke daraus spielten, konnte man ahnen, dass es ein großartiges Album werden würde.

Das Quartett agiert so frisch und inspiriert, als sei sie nie von der Bildfläche verschwunden. Beinahe ein Paradox: Denn die Raconteurs nehmen sozusagen ein Vollbad im Bluesrock-Sound der 60er und 70er Jahre, Led Zeppelin und die Beatles scheinen durch, und mit „Hey Gyp (Dig the Slowness)“ präsentieren sie sogar ein Donovan-Cover – bei dem sie allerdings den Turbo zünden. Dass die Musik der Raconteurs trotz der nostalgischen Rückwärtsgewandtheit so aktuell klingt, hängt mit dieser unglaublichen Energie zusammen, die sie freisetzen, und mit der Fülle an grandiosen musikalischen Einfällen, die das Album vom Opener „Bored And Razed“ bis zu „Thoughts And Prayers“ durchzieht. Anlass für die Raconteurs-Reunion war der Titel „Shine The Light On Me“, den White eigentlich für seine erste Soloplatte geschrieben hatte, von dem er jedoch meinte, er würde eher zu den Raconteurs passen. Als er das Stück im vergangenen September Benson vorspielte, teilte der seine Meinung.

Songs ohne komplizierte Soundtüfteleien

Dass der Titel des ersten Songs des eine Woche nach „Help Us Stranger“ der Raconteurs-Platte erschienen neuen Black-Keys-Albums ganz ähnlich, nämlich „Shine A Little Light“, heißt, könnte Whites alten Vorwürfen neue Nahrung geben. Aber bislang hat er sich dazu nicht geäußert. Wie dem auch sei: Nach fünfjähriger Pause klingen die Black Keys auf „Let's Rock“ (Nonesuch) nun wieder, wie sie vor ihrem bislang popaffinsten Album „Turn Blue“ geklungen haben. Gitarrenorientiert, geerdet, Songs ohne komplizierte Soundtüfteleien. Und geprägt von der unverwechselbaren Stimme Dan Auerbachs.

Die Platte enthält richtig gute Nummern wie „Eagle Birds“, „Lo/Hi“, aber auch einige Enttäuschungen wie das kraftlose „Tell Me Lies“. So starke Titel wie „Weight of Love“ („Turn Blue“) oder „Ten Cent Pistol“ („Brothers“) oder „Gold on the Ceiling“ („El Camino“) sucht man vergebens.

Das Albumcover zeigt einen elektrischen Stuhl, umgeben von einem Strahl von rosa Blitzen. Die Geschichte dahinter: Im Jahr 2018 wurde in Tennessee der zum Tode verurteilte Mörder Edmund Zagorski hingerichtet. Es war die erste Exekution seit 2007. „Let's Rock“ sollen Zagorskis letzte Worte gewesen sein. Schon ein bisschen geschmacklos.

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