TV-Talk "Hart aber fair" Frank Thelen erklärt die Misere beim Netzausbau

Bonn · Frank Plasberg diskutierte mit seinen Gästen wie Frank Thelen bei "Hart aber fair" über den "Sanierungsfall Deutschland zwischen Funkloch und Schlagloch". Zuweilen ging es wie am Stammtisch zu.

 Bei "Hart aber fair" diskutierte Moderatorin Steffi Neu mit Frank Thelen.

Bei "Hart aber fair" diskutierte Moderatorin Steffi Neu mit Frank Thelen.

Foto: WDR/Oliver Ziebe

Darum ging’s

Infrastruktur und ihre Schwächen waren am Abend das Thema bei “Hart aber Fair” in der ARD: Das Handy ohne Empfang, der Zug oft verspätet, Autofahren endet im Stau. Da angesichts dieser Engpässe die Wut vieler Bürger wächst, wollte Moderator Frank Plasberg wissen: Muss der Alltag in Deutschland so aussehen? Wird zu viel gespart und zu wenig saniert?

Darum ging’s wirklich

Drei Gäste und Frank Plasberg durften 75 Minuten lang mal alles loswerden, was im Alltag in Deutschland nervt: Staus und Baustellen, Funklöcher beim telefonieren unterwegs, Verspätungen und fehlende Toiletten bei der Bahn. Als einziger Politiker in der Runde war Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier Zielscheibe der meisten Klagen und hörte sie geduldig an, sozusagen als Generalverantwortlicher für alles, was in Deutschland besser funktionieren könnte.

Die Gäste

  • Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, CDU
  • Steffi Neu, freie Journalistin und Radiomoderatorin beim WDR
  • Frank Thelen, Unternehmer und Start-Up-Investor
  • Hermann Lohbeck, Sprecher der Konzernleitung von Landmaschinenhersteller Claas
  • Lina Ehrig, Leiterin Digitales und Medien der Verbraucherzentrale

Klagen über das Mobilnetz in Deutschland machten den Auftakt. Warum, fragt ein Hörer, hat er in Polen perfekten Empfang, landet aber gleich nach dem Grenzübertritt im deutschen Funkloch. Journalistin Steffi Neu muss zum Telefonieren in den Garten oder in die Badewanne unter der Dachluke. Verbraucherschützerin Lina Ehrig weiß: “Nur 1,6 Prozent der Kunden mit Mobilfunkverträgen bekommen die Geschwindigkeit, die ihr Vertrag verspricht”. Peter Altmaier weiß nicht, wie sich das Problem ändern lässt, aber er hat eine Idee, woran es liegt: “Ich hab den Verdacht, dass das Kommunikationsaufkommen stärker gewachsen ist als die Transportkapazitäten derer, die den Empfang sicherstellen.”

Bei der Vergabe der Frequenzen nach der Privatisierung des Mobilfunknetzes im Jahr 2000 hätten die Anbieter 50 Milliarden Euro ausgegeben – die fehlten ihnen nun für den Netzausbau, erklärt Frank Thelen die Misere. Er drängt: die Regierung müsse die Anbieter stabilisieren und beim Netzausbau unterstützen. Zwar sei neuerdings viel von Investitionen in 5G-Geschwindigkeiten die Rede, aber viele Nutzer wären schon froh überhaupt 3G oder eine stabile Verbindung zu haben.

"90 Euro für die Flat und trotzdem im Funkloch"

Die Situation kennt auch Claas-Mann Hermann Lohbeck, der häufig zwischen Ostwestfalen und Baden-Württemberg pendelt. Das Auto als Arbeitsplatz fällt für ihn flach “weil es einfach peinlich ist, wie oft die Verbindung abbricht.” Die Politik muss seiner Ansicht nach bessere Rahmenbedingungen für die Netzbetreiber schaffen. Peter Altmaier erinnert daran, dass etwa in einer Stadt wie München eine Vervielfachung der Sendetürme nötig wäre, auch diese neuen Türme seien eine Herasuforderung und nicht bei jedem beliebt.

Steffi Neu ist egal, ob ein neuer Turm oder 5G kommt: “Als Verbraucherin ist mir pupsegal wie Sie das nennen”, macht sie ihrem Frust Luft. “Ich zahle 90 Euro für meine Flat im Monat und sitze trotzdem im Funkloch. Sie haben kein Geld, er hat keine Masten, aber ich will doch nur, dass es funktioniert!” IT-Experte Thelen hat immerhin ein Lob für Altmaier dabei: “Die Regierung hat sich schon in die richtige Richtung bewegt.” Es müsse halt nur auch zügig weiter gehen.

Damit hat der Frust aber noch kein Ende. Eine Runde lang darf jeder über Staus, Baustellen und den Autoverkehr schimpfen. “Es kostet unfassbar viel Lebenszeit von A nach B zu kommen”, findet Steffi Neu, und Lohbeck stimmt zu, vor allem Großbaustellen dauern seiner Ansicht nach in Deutschland zu lange. Peter Altmaier versichert, in den letzten drei Jahren habe die Regierung 50 Prozent mehr Investitionen für Verkehrsinfrastruktur im Haushalt eingestellt. Es dauere allerdings häufig zu lange, bis Gelder auch genutzt werden könnten. “Auch weil wir es in Deutschland ja immer sehr genau nehmen.” Große Infrastrukturprojekte bräuchten oft bis zu 30 Jahre Vorlaufzeit. “Das müssen wir beschleunigen”, verspricht der Bundeswirtschaftsminister.

"Bahn muss eine digitale DNA entwickeln"

Steffi Neu, die im Jahr 50.000 Kilometer auf Autobahnen pendelt, sieht immerhin auch Verantwortung beim Einzelnen: “Es wäre gut, wenn nicht immer nur ein Männeken in jedem Auto sitzen würde.” Bahnfahren, Plasbergs Thema Nummer drei, ist ihr allerdings zu unpraktisch. Frank Thelen nimmt – wegen Verspätungen, unzuverlässigem W-Lan und mangelndem Komfort – ebenfalls ungern den Zug, er fordert: “Die Bahn muss noch eine digitale DNA entwickeln.” Peter Altmaier gibt zu, man müsse von einem Staatsbetrieb bessere Leistung erwarten als die derzeit 71,4 Prozent Pünktlichkeit. Er findet aber, dass sich seit den 1990er Jahren vieles verbessert habe.

Zum Abschied der Sendung, die wie Frank Plasberg treffend bemerkt “Fakten brachte, aber auch ein bisschen Stammtisch war”, hebt der Moderator die Stimmung mit drei selbstironischen Ansagen von Bahnmitarbeitern zu Ausfällen und Verspätungen. “Immerhin tragen wir es gemeinsam mit Humor.”

Der Artikel ist zuerst bei RP Online erschienen.

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