Der "Tatort" im Ersten Freiburg am Abgrund

Bonn · Heike Makatsch glänzt im „Tatort“-Spezial „Fünf Minuten Himmel“ am Ostermontag. Als Kommissarin Ellen Berlinger kommt sie nach 15 Jahren beim BK in London nach Freiburg zurück.

 Gefühl und Härte: Hauptkommissarin Ellen Berlinger (Heike Makatsch) beim Einsatz in Freiburg.

Gefühl und Härte: Hauptkommissarin Ellen Berlinger (Heike Makatsch) beim Einsatz in Freiburg.

Foto: SWR/Ziegler Film

Geschenke zu Ostern werden gerne genommen, erst recht, wenn die ARD einen Edel-„Tatort“ mit Starbesetzung ins Nest legt. Das muss kein Garant für erstklassigen Krimigenuss sein, siehe Til Schweiger alias Nick Tschiller. Im Fall von Heike Makatschs Freiburger „Tatort“-Spezial aber ist es ein Hit. Das liegt nicht nur an ihrer Präsenz, dem ruhigen und auf Bullenklischees verzichtenden Stil als Kommissarin Ellen Berlinger, das hängt auch mit Katrin Gebbes Regie, dem klugen Buch von Thomas Wendrich und der Kamera Matthias Bolligers zusammen, die die Balance zwischen Freiburger Schokoladenseiten und Tristesse hält.

Als Plus gibt es ein exzellentes Ensemble rund um Angela Winkler als gleichermaßen aggressive wie verstörte Mutter der Kommissarin, Emilia Bernsdorf als deren Tochter und ihre sehr gut agierenden Freundinnen Anna-Lena Klenke und Rosemarie Röse.

Der verzweifelte, desorientierte Blick Julika Jenkins ist das Gesicht dieses „Tatorts“ „Fünf Minuten Himmel“. Jenkins spielt Cornelia Mai, eine Frau ohne Chance am Rande der Obdachlosigkeit. Sie verkörpert damit ein Freiburg-Bild, das mit einer Breisgauer Idylle nichts mehr zu tun hat. Holger Kunath, im örtlichen Jobcenter zuständig für Mietzuschüsse, steckt mit dem Immobilienhai Fest unter einer Decke, der sein Haus räumen will – von Mietern, die von Kunath unterstützt werden sollen. Kunath überweist Mai den Mietzuschuss nicht, es folgt die Kündigung. Gebrochene Familien und zerbrochene Individuen, jugendliche Mädchen, die im „Chocking Game“ genannten Erstickungsspiel auf Grenzerfahrungssuche sind: Das ist nicht das Freiburg, das Ellen Berlinger vor 15 Jahren verließ, um zum BKA nach London zu gehen.

Nun kommt sie – sichtlich schwanger – zurück und mitten in eine Gesellschaft in Schieflage, was auch für die eigene Familie zutrifft. Denn Berlinger hatte nicht nur ihre Mutter verlassen, sondern auch ihr Baby namens Niina. Bei Dienstbeginn in Freiburg kommt also Einiges auf die neue Kommissarin zu. Neben Privatem akut Dienstliches: Kunath ist stranguliert an seinem Schreibtisch aufgefunden worden, Abschiedsbrief inklusive. Berlinger zweifelt sofort an der Selbstmordhypothese. Feinde hat er genug.

Eher unnahbar, fast abweisend nimmt Berlinger Tuchfühlung zu ihrem neuen Team auf. Makatsch spielt dieses verständliche Fremdeln überzeugend. Ihre Empathie gilt Zeugen und Opfern. Hier zeigt sich die Klasse dieser Schauspielerin, hier zeigt sich auch, wie eine gute Kameraarbeit Intimität erzeugen kann. Makatsch gibt eine sehr strukturierte, klare und uneitle Kommissarin, die einfühlsam ist, aber auch Härte zeigen kann.

„Fünf Minuten Himmel“ startet fast bedächtig, entwickelt dann dank toller Personen- und Milieuschilderung Tempo und atemlose Spannung. Schlimmes Ende. Doch es bleibt die Hoffnung, dass Makatsch noch einmal zum „Tatort“-Special geladen wird.

ARD, Ostermontag, 20.15 Uhr

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