GA Krimi-Kolumne: Der Polizeiruf 110 aus Magdeburg Was ist denn jetzt mit Matthias?

Bonn · Bei dem Thema hätte eigentlich gar nichts schiefgehen können, findet GA-Krimikolumnist Daniel Schauff. So richtig schief geht im Magdeburger Polizeiruf auch nichts. Leider bleibt das einigermaßen egal, das Drama ist da, es kommt aber nicht so richtig an.

Ronny (Johann Barnstorf) ist traurig, weil seine Mutter noch nicht angerufen hat und wird von Matthias (Thomas Schubert) überredet seine Geschenke auszupacken in einer Szene des Krimis „Polizeiruf 110: Ronny“.

Ronny (Johann Barnstorf) ist traurig, weil seine Mutter noch nicht angerufen hat und wird von Matthias (Thomas Schubert) überredet seine Geschenke auszupacken in einer Szene des Krimis „Polizeiruf 110: Ronny“.

Foto: dpa/Stefan Erhard

Das Thema ist natürlich gut. Ein Kind verschwindet. Aus einem Umfeld, das vor allem zum Verschwinden einlädt. Eine Weile lang ist gar nicht klar, ob dem kleinen Ronny (Johann Barnstorf) überhaupt irgendetwas passiert ist. Vielleicht ist er einfach in eine Bahn gestiegen und abgehauen. Wer könnte es ihm verdenken.

Trotzdem beißen sich die Ermittler fest, kurz an Rene (Oskar Bökelmann), der mittlerweile mit Ronnys leiblicher Mutter (Ceci Chuh) zusammenlebt und das wohl lieber ohne Kinder tun würde. Rene wirkt allerdings so einfältig und eindimensional, dass schnell klar ist: Er wird wohl eher nichts mit Ronnys Verschwinden zu tun haben. Also gerät Heimerzieher Matthias (Thomas Schubert) in den Fokus. Er habe sich an Kindern vergriffen, sagt Gordon (Valentin Oppermann). Mit Letzterem stimmt auch irgendwas nicht, das sagen im Heim alle. Und das weiß sogar Aushilfsmama Gaby (Maja Schöne), die Ronnys Messer bei ihrem Quasi-Sohnemann findet und es hinter der Neonröhre der Waschküche versteckt.

Soweit zum Grundgerüst, das eigentlich so stabil ist, dass der Krimi gar nicht in die Hose gehen kann. Nur bleibt jedes Gefühl, die gesamte Dramatik irgendwo an den zuhauf auftretenden beschlagenen Fensterscheiben hängen. Kommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) ist arg mitgenommen von dem Fall. Kein Wunder, einerseits ist sie selbst im Heim aufgewachsen, andererseits will sie nicht noch einmal den Fehler machen und ein Kind zu früh aufgeben. Ihre Ergriffenheit versackt aber, vielleicht bekommt sie zu wenig Raum, vielleicht erstickt auch die hochdepressive Kulisse, in der man gar nicht weiß, wohin man das Mitleid nun steuern soll, das durchaus gute Spiel aller Beteiligten.

Polizeiruf 110: Der arme Matthias

Selbst der falsch verdächtigte Heimerzieher Matthias bekommt nur wenig Zeit, um die Gefühle angesichts seines wohl vollends zerstörten Lebens auszuspielen. Überhaupt fehlt er im letzten Teil des Polizeirufs, der sich ausschließlich auf Gordon konzentriert. Der sieht aus wie aus der Zeit gefallen, wie ein Relikt aus der Vorwendezeit, und genau so nah kommt der Charakter dem Zuschauer. Es fällt dem Film extrem schwer, Charaktere so vorzustellen, dass sich im Zuschauer irgendetwas regt (Buch: Jan Braren, Regie: Barbara Ott), und so bleibt es auch relativ egal, dass Gordon tatsächlich der Böse ist.

Magdeburg tut in „Ronny“ wieder das, was Magdeburg so oft tut. Die Basis stimmt, aber bei der Basis bleibt es dann auch. Ein wenig weniger Schauplätze, dafür mehr Zeit für die, die übrig bleiben, hätte diesem keineswegs schlechten, aber eben auch nur mittelguten Krimi sicher gutgetan.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Salman Rushdies Antwort auf den Hass
„Knife“: Das Buch über die Messerattacke Salman Rushdies Antwort auf den Hass
Zum Thema
Im Dunkeln
GA-Krimikolumne: Tatort Frankfurt Im Dunkeln
Aus dem Ressort
Die Sintflut der Ratgeber
In Büchern das Glück finden – geht das? Die Sintflut der Ratgeber
Unbequemer Sieger
Kommentar zur Oscarverleihung 2023 Unbequemer Sieger
Himmlische Freuden
Barbara Hannigan mit dem London Symphony Orchestra in Köln Himmlische Freuden