Kritik an Seehofer und Merkel Gäste bei "Anne Will" diskutierten über Maaßen-Affäre

Düsseldorf · Seit Tagen wird in Deutschland darüber diskutiert, ob Verfassungsschutz-Chef Maaßen seinen Hut nehmen soll. Bei Anne Will waren sich die Gäste am Sonntagabend weitgehend einig - hoben aber hervor, dass andere Fragen viel wichtiger seien.

 Georg Mascolo (l-r, Leiter der Recherchekooperation von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung), Petra Pau (Die Linke), Martin Schulz (SPD), Anne Will (Moderatorin), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Paul Ziemiak (CDU) im Gespräch bei der Fernsehsendung "Anne Will".

Georg Mascolo (l-r, Leiter der Recherchekooperation von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung), Petra Pau (Die Linke), Martin Schulz (SPD), Anne Will (Moderatorin), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Paul Ziemiak (CDU) im Gespräch bei der Fernsehsendung "Anne Will".

Foto: Wolfgang Borrs/NDR/dpa

Darum ging es:

Moderatorin Anne Will diskutierte mit vier Gästen aus der Politik und einem Medienvertreter über die Causa Maaßen. Die übergeordnete Frage: „Ist unsere Demokratie in Gefahr?“

Die Gäste:

  • Martin Schulz, ehemaliger SPD-Vorsitzender
  • Paul Ziemiak, Bundesvorsitzender der Jungen Union
  • Georg Mascolo, Journalist
  • Petra Pau, Die Linke
  • Robert Habeck, Parteivorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen

Frontverlauf:

Ein Rededuell zwischen Martin Schulz und JU-Chef Paul Ziemiak dominiert den Auftakt der Sendung. Schulz legt zunächst los mit Kritik an Angela Merkel, der er Schwäche im Umgang mit der Causa Maaßen vorwirft und die sich nicht gegen Bundesinnenminister Horst Seehofer, durchsetzen könne. „Wir erleben seit Monaten, dass die beiden Vorsitzenden der Unionsparteien, Seehofer und Merkel, in keiner Frage zusammenkommen.“

Den Vorschlag, wegen der Maaßen-Affäre Neuwahlen abzuhalten, hält Schulz für falsch. In diesem Punkt ist er sich mit Paul Ziemiak einig, das sei geradezu „unverantwortlich“, sagt dieser. Schulz wehrt sich jedoch gegen den Vorwurf, dass seine Partei den Fortbestand der Regierungskoalition aufs Spiel setze. „Wenn es einen stabilen Faktor gibt, dann die SPD“, sagt Schulz vehement.

Anne Will weist an dieser Stelle darauf hin, dass man auch versucht habe, Horst Seehofer einzuladen, ebenso Maaßen selbst – doch sie hätten nur Absagen bekommen.

Georg Mascolo, Journalist und Leiter der Recherchekooperation von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung, kennt Maaßen seit 15 Jahren. Er könne aber nicht einschätzen, ob Maaßen selbst sein Amt aufgeben werde. Er persönlich finde, dass Maaßen dies tun solle, weil er Fehler gemacht habe, sagt Mascolo. Wegen des entstandenen Vertrauensverlustes gebe es keine Alternative zum Rücktritt.

Petra Pau von der „Linken“ sagt, in Deutschland werde schon viel zu lange über Maaßen diskutiert, erst recht vor dem Hintergrund der Vorkommnisse in Chemnitz. Sie zieht Beispiele von dessen Entscheidungen aus der Vergangenheit heran und nennt Maaßen eine Fehlbesetzung, seine Herangehensweise sei zynisch. Grünen-Chef Habeck sagt, er glaube nicht, dass wegen der Maaßen-Affäre die Koalition platzen werde. Aber sicher sei, dass der Schaden für die Demokratie da sei und zunehme.

Anne Will hakt ein, die Grünen seien ja bekanntlich gegen das Amt für Verfassungsschutz: „Kommt Ihnen der Fall gerade fast recht?“. „Nein“, sagt Habeck ruhig. „Ich wäre froh, wenn wir heute nicht darüber reden müssten.“ Der Verfassungsschutz sei nun einmal die sensibelste Institution, weil diese nicht die gleichen Rechenschaftspflichten wie etwa die Polizei habe. Außerdem sei dessen Arbeit in Vergangenheit nicht über jeden Zweifel erhaben gewesen, sagt Habeck, wie im Fall des Attentäters vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri.

Unschuldsvermutung für Maaßen gefordert

Mascolo, der bei „Anne Will“ in der Runde die Rolle des Besänftigers und Ausgleichenden übernimmt, fordert erst einmal die Unschuldsvermutung für Maaßen. Für ihn stellten sich, unabhängig vom Fall Maaßen, weitreichendere Fragen, etwa die, ob die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werden solle.

Anhand eines aktuellen Falls wechselt der Debatte hin zu antisemitischen Anschlägen in Deutschland, wie jüngst auf ein jüdisches Restaurant in Chemnitz. „Wir hätten eigentlich alle am Tag nach dem Anschlag dort hingehen sollen“, sagt Schulz. Er plädiert dafür, anders mit den Provokationen von Rechtsradikalen und Antisemiten umzugehen. Diese würden bewusst überlegen, „wie kann ich die rote Linie jeden Tag ein Stück weiter verschieben“. Am Anfang regten sich noch alle darüber auf, doch das nehme ab, und bei der fünften Provokation sei die rote Linie dann verschoben.

„Nie wieder“ – das sei doch die Grundlage Deutschlands, schließt der Journalist Mascolo in Anspielung auf die Verbrechen der Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg. „Wir haben gehofft, dass aufgrund unserer Geschichte das in Deutschland nicht passieren würde“, sagt er über das Erstarken von rechten und rechtsextremen Parteien in Nachbarländern wie Frankreich. Trotzdem warnt er vor „Untergangsprophezeiungen“.

„Woraus schöpfen Sie Hoffnung?“, fragt Will. Daraus, dass die lautesten Prophezeiungen immer die meiste Aufmerksamkeit bekämen und sich normalerweise nicht verwirklichten, sagt Mascolo. Er sei seit 30 Jahren Journalist und tendenziell eher optimistisch. „Ich bin überzeugt, dass die Masse der Menschen in diesem Land das nicht will.“

Dieser Text ist zuerst bei RP ONLINE erschienen.

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