Buchmesse Frankfurt Georgien wirbt mit der Sprache für sich

Frankfurt/Main · Ehrengast Georgien will sich auf der Frankfurter Buchmesse kulturell in Europa verankern. In seinem Pavillon schlägt das Land eine Brücke - und setzt dabei auf sein einzigartiges Alphabet.

 Im Ehrengast-Pavillon stehen übergroße Buchstaben, die das georgische Alphabet interpretieren.

Im Ehrengast-Pavillon stehen übergroße Buchstaben, die das georgische Alphabet interpretieren.

Foto: Andreas Arnold

Irrgärten aus fremdartigen Ornamenten und Piktogrammen. Hinzu kommen Sphärenklänge, in denen zeitgenössische Computermusik mit Volksweisen verschmelzen. Georgien - Ehrengast der Frankfurter Buchmesse - hat sich in seinem Pavillon ganz auf sein Alleinstellungsmerkmal besonnen.

Entlang der 33 merkwürdig geschwungenen Buchstaben des einzigartigen Alphabets schicken die Organisatoren die Besucher auf eine kulturelle Reise durch Geschichte und Gegenwart des zwischen Kaukasus und Schwarzem Meer eingeklemmten Landes.

"Georgia - Made by Characters" heißt der Gastlandauftritt. Es ist ein zweideutiges Motto. Einmal bezieht es sich auf das bis ins vierte Jahrhundert zurückgehenden Alphabet. Zum andern sind damit auch die literarischen Charakterköpfe des kleinen Landes gemeint.

Der berühmteste davon ist Schota Rustaweli, der im Mittelalter den Gedichtband "Der Recke im Tigerfell" schuf. Ein Epos, das jeder Schüler in dem Land mit seinen knapp vier Millionen Einwohnern kennt. Bei den hehren Prinzipien, die das Buch proklamiert, steht die Freundschaft ganz oben.

Diese wird im Pavillon mit dem 30. Buchstaben des Alphabets verknüpft. Giorgi Avaliani leitet von Rustaweli auch die sprichwörtliche georgische Gastfreundschaft ab. Der junge Georgier hat den Pavillon mitkuratiert - und sich zur Eröffnung am Dienstag den Spaß gemacht, mit traditioneller kaukasischer Kopfbedeckung sowie jeweils einem schwarzen und weißen Turnschuh an den Füßen anzutreten. "Ich versuche, die Brücke von der Vergangenheit zur Gegenwart zu schlagen", sagt er ironisch. Im wirklichen Leben führt er in Tiflis eine Werbeagentur.

Auf der Messe will die ehemalige Sowjetrepublik bis zum kommenden Sonntag beweisen, dass das an der Schnittstelle zu Asien liegende Georgien historisch-kulturell schon lange zu Europa gehörte - und für immer dazu gehören will. Rund sechs Millionen Euro lässt sich das Land den Auftritt in Frankfurt kosten, an dem sechs Jahre gearbeitet wurde. Etwa 70 Schriftsteller werden aus Georgien erwartet. Eine erstaunliche Zahl von 150 Büchern sind in den vergangenen Jahren allein ins Deutsche übersetzt worden - mit finanzieller Übersetzungshilfe aus Georgien.

Nach der Wiederlangung der Unabhängigkeit im Jahr 1991 hat sich vor allem in der Hauptstadt Tiflis eine sehr lebendige kulturelle Szene entwickelt. Es sind Autoren, die in dem Land, das immer noch von der konservativen orthodoxen Kirche dominiert wird, brisante gesellschaftspolitische Themen zur Sprache bringen.

Literarische Avantgardisten wie die Künstlerbewegung "Blaue Hörner" gab es in Georgien aber schon zwischen den beiden Weltkriegen. Fast alle dieser Autoren wurden unter Sowjet-Diktator Stalin - der aus der Nähe von Tiflis stammt und damit zugleich der berühmteste Georgier ist - liquidiert. Ein Buchstabe im Alphabet im Pavillon erinnert an das Schicksal von Petre Otskheli, einen Designer und Modernisten aus Tiflis, dessen Arbeiten bis heute in Georgien verehrt werden. Er wurde 1937 in Moskau im Alter von 30 Jahren erschossen.

Georgische Buchstaben wirken auf Außenstehende nicht nur völlig fremdartig. Sie sind auch kaum aussprechbar. Immerhin gibt es im Pavillon Nachhilfeunterricht. Georgische Illustratoren helfen, Buchstaben zu verbinden und sie zu Wörtern zusammenzufügen.

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