Projekt "Freiraum" Goethe-Institut spürt mehr politischen Druck

Berlin · Das Goethe-Institut ist Deutschlands Stimme im Ausland. Es sucht auch da noch den Dialog, wo die Politik an Grenzen stößt - gerade in Krisenzeiten eine Herausforderung.

 Der Präsident des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann.

Der Präsident des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann.

Foto: Monika Skolimowska

Angesichts von Krisen und Konflikten weltweit sieht sich das Goethe-Institut in seiner kulturellen Arbeit zunehmend politischem Druck ausgesetzt. "Die Situation wird insgesamt schwieriger", sagte Institutspräsident Klaus-Dieter Lehmann in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

"Das betrifft nicht so sehr uns selbst. Aber der Druck geht sehr stark auf unsere Partner, mit denen wir vor Ort zusammenarbeiten. Wir müssen aufpassen, sie nicht zu gefährden", so Lehmann. Als schwierige Länder nannte er etwa Russland, China und die Türkei.

In der Türkei hat die weltweit tätige deutsche Kulturorganisation deshalb zusätzlich zu ihren drei bestehenden Instituten in Izmir, Istanbul und Ankara mehrere "Orte der Kultur" gegründet.

Dort gibt es niederschwelligere Angebote, um sich beruflich zu qualifizieren oder kulturell aktiv zu sein. Immer sind türkische Stiftungen in die Arbeit mit eingebunden. "Wir sind nicht darauf aus, zu provozieren. Wir wollen Programme machen, die die Menschen erreichen und die Zivilgesellschaft stärken", sagt der 78-Jährige.

Neue Herausforderungen sieht er auch im erstarkenden Nationalismus und dem Auseinanderdriften von Ost und West in Europa. Gemeinsam mit Frankreich wolle Deutschland hier gegensteuern und ein Motor für die europäische Entwicklung sein, so Lehmann.

Bis zum Jahr 2020 sollten deshalb in unterschiedlichen Ländern bis zu zehn Institute oder Verbindungsbüros entstehen, die vom "Goethe" und dem Institut français gemeinsam getragen werden. "Wir wollen zeigen: Wir können Europa wirklich leben", sagte der Präsident. Über die Standorte wird voraussichtlich noch in diesem Jahr entschieden.

Auch das Projekt "Freiraum" soll die europäische Idee stärken. Rund 40 Städte haben sich jeweils zu zweit zusammengetan, um über Einheit und Vielfalt in Europa nachzudenken. Bedingung: Sie müssen mindestens 1000 Kilometer auseinanderliegen. Tandems sind etwa Oslo und Mailand oder Krakau und Sarajewo.

"Im nächsten Jahr planen wir hier in Berlin eine große Veranstaltung, wo alle Paare zusammenkommen und aus ihren jeweiligen kleinen Projekten ein Mosaik machen, das hoffentlich ein europäisches Bild ergibt", sagt Lehmann.

Ein weiterer großer Schwerpunkt bleibt die Arbeit in Afrika, wo das Goethe-Institut traditionell stark vertreten ist. Neben dem Aufbau einer digitalen Plattform für afrikanische Musik gibt es inzwischen auch eine Filmplattform. Ebenfalls im Fokus steht die gezielte Förderung und Stärkung von Frauen.

In den Nachbarländern Syriens wie etwa im Libanon und in Jordanien gehen die Kultur- und Bildungsprogramme in den Flüchtlingslagern weiter: "Wir müssen alles tun, dass dort nicht eine verlorene Generation entsteht. Humanitäre Hilfe ist eben mehr als Wasser und Brot und ein Dach über dem Kopf."

Insgesamt sieht Lehmann sein Haus für die künftigen Herausforderungen gut aufgestellt. Die Zuwendungen des Auswärtigen Amts steigen den jüngsten Beschlüssen des Bundestags zufolge in diesem Jahr um 15 Millionen auf knapp 241 Millionen Euro. Diese Erhöhung wird im Regierungsentwurf 2019 auf 13 Millionen Euro festgeschrieben. Insgesamt beträgt der Jahresetat rund 400 Millionen.

"Für uns waren die Haushaltsberatungen bis zum Schluss eine Zitterpartie", sagte Lehmann. "Aber die Abgeordneten haben ein klares Zeichen gesetzt, dass mit Politik und Wirtschaft allein die Zukunft nicht zu gewinnen ist. Auch die Kultur ist ein entscheidendes Element für die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft."

Das Goethe-Institut hat die Aufgabe, die deutsche Sprache zu fördern und die kulturelle Zusammenarbeit im Ausland zu stärken. Derzeit gibt es 159 Institute in 98 Ländern. Sie haben nach einer tiefgreifenden Reform in den vergangenen Jahren jeweils eigene Verantwortung für Programm und Finanzen.

"Das Goethe-Institut wurde ja oft als großer Tanker gesehen, aber inzwischen sind wir ein Verband von Schnellbooten", sagt Lehmann. "Nur so kann es uns gelingen, nah am Geschehen vor Ort zu sein und tragfähige Netzwerke zu knüpfen."

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