Der Deutsche Pavillion auf der Biennale in Venedig Gräben, Löcher, Treppenabgänge

Venedig · Im Deutschen Pavillon auf der Biennale von Venedig setzt Maria Eichhorn ihre konzeptuellen Gedanken um. Die Künstlerin aus Berlin wäre aber lieber viel weiter gegangen.

 Eine Besucherin fotografiert den Innenraum des Deutschen Pavillons vor der 59. Kunstbiennale beim Preview Opening.

Eine Besucherin fotografiert den Innenraum des Deutschen Pavillons vor der 59. Kunstbiennale beim Preview Opening.

Foto: dpa/Felix Hörhager

Für Maria Eichhorn ist der Deutsche Pavillon auf der Biennale von Venedig keine Liebe auf den ersten Blick. Sie bespielt ihn nicht, wie es alle ihre teilweise berühmten Vorgänger taten, sondern wollte den stolzen Umbau aus der Nazizeit mit seinen falschen Säulen und der sakralen Überhöhung am liebsten an einen riesigen Kran hängen und über die Bäume hinweg auf einen Ponton heben. Nach Ende der Biennale hätte das Gebäude mit derselben Technik wieder an seinen alten Standort zurückkehren können. Da der Palast noch steht, wird klar, dass sie ihren Willen nicht erfüllt bekam, sondern nur mit dem Gedanken spielte, wenn auch gründlich und teuer, denn dafür wurden über zwei Millionen Euro ausgegeben.

Eichhorn und ihre unzähligen Helfer haben immerhin auf den Putz geklopft, Nahtstellen und Übergänge zwischen dem einstigen Bayerischen Pavillon von 1909 und den letzten kapitalen Eingriffen freigelegt. Schon 1993 hatte Hans Haacke die Bodenplatten entfernt, aber immerhin wurde damals auch das grandiose Werk von Nam June Paik dem internationalen Publikum im Deutschen Pavillon vorgestellt. Eichhorn aber macht Tabula rasa. Sie öffnete die Fundamente, stieß auf Hohlräume und zugemauerte Durchgänge, untersuchte freigelegte Ziegelsteine und fremde Betonteile. Ein verbissenes Tun. Die Besucher blicken in Gräben, Löcher und Treppenabgänge, die unter dem schönen alten Steinfußboden hervorkommen.

Der 370-Seiten-Katalog ist wichtiger Bestandteil

Notgedrungen ist der 370 Seiten starke Katalog ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit. Dort bringt die 60-jährige Konzeptkünstlerin ihr radikales Denken schriftlich ein. Es demonstriert einen Abscheu gegen den Bau. Ihr Kurator Yilmaz Dziewior aus Köln, wo man ständig Kostbarkeiten unter der Erde findet, pflichtet ihr bei. Er spricht von einer erdrückenden und einschüchternden Massivität im Vergleich zum klassizistischen Bayerischen Ursprungsbau. Die quadratischen Pfeiler anstelle der ionischen Säulen findet der Kurator einfach schrecklich. Geradezu verbissen arbeiten sich Künstlerin und Kurator an der Architektur ab und bemühten Kunsttheoretiker, Aktivisten und Archivare, um sich ihr Gutachten bestätigen zu lassen.

„Ich betrachte den Deutschen Pavillon in Bezug auf staatlich-territoriale und geopolitische, globale und ökologische Entwicklungen“, lässt sie den Leser im Katalog wissen. So organisiert sie auch zweimal wöchentlich Stadtführungen zu Orten des Widerstands und der Erinnerung und verdeutlicht so deutsch-venezianische Nazi-Geschichte im Aussenraum.

Ein Gutes hat ihr Tun: Ihre nachfolgenden Künstler können sich anderen Themen widmen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Schlingensief auf der Spur
Ausstellung in der Kunstsammlung NRW Schlingensief auf der Spur
Aus dem Ressort