Interview mit BBC-Deutschland-Korrespondentin Jenny Hill: "Dies ist eine wichtige Zeit"

Wie blicken britische Korrespondenten auf Deutschland? Jasmin Fischer sprach mit Jenny Hill, der Berliner BBC-Korrespondentin.

 Jenny Hill.

Jenny Hill.

Foto: BBC

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Jenny Hill: Das Schöne an meiner Arbeit ist, dass kein Tag dem anderen gleicht. Arbeitsort ist Berlin, aber wir senden oft aus anderen Städten. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ich morgens ins Büro komme und ein paar Stunden später schon wieder im Flugzeug sitze. Ich bin oft tagelang unterwegs – etwa für Ereignisse wie das Zugunglück in Süddeutschland oder die Landtagswahlen. Ich war auch an der österreichischen Grenze, um über die Flüchtlingskrise zu berichten – für alle unsere Kanäle. Zusätzlich schreibe ich noch für unsere News-Webseite.

Wie sehen Sie als Reporter die Flüchtlingskrise?
Hill: Es ist selten, dass eine Geschichte so lange die Schlagzeilen dominiert. Doch dies ist eine wichtige Zeit – für Deutschland und Europa. Ich glaube, viele Leute hat die ursprüngliche Reaktion Deutschlands auf die Flüchtlinge überrascht. Seitdem wird das Land in der Welt anders wahrgenommen. Die Leute sind weiterhin neugierig, was Angela Merkels Flüchtlingsstrategie motiviert hat – und wie die Dinge für sie und das Land ausgehen. Für uns bei der BBC ist es eine große Verantwortung, die Stimmung des gesamten Landes widerzuspiegeln. Das Team arbeitet sehr hart daran, die öffentliche Meinung akkurat zu präsentieren.

Was gefällt Ihnen an Deutschland?
Hill: Ich lebe seit anderthalb Jahren in Berlin – genügend Zeit, um Bier, Wurst und Kuchen zu genießen. Deutsche Bäckereien sind das bestgehütete Geheimnis des Landes!

Was sind die größten Unterschiede zwischen britischer und deutscher Lebensart, Arbeitswelt und Politik?
Hill: Die erste Bundestagsdebatte hat mich überrascht. Sie fühlte sich zahm an im Vergleich zu Debatten im Unterhaus. Politik in Deutschland fußt mehr auf Konsens; man schließt Kompromisse und erarbeitet sich gemeinsam den Weg. Heißt: Es gibt weniger Kehrtwendungen! Immer wieder erstaunt mich die „Work hard, play hard“-Mentalität der Deutschen. Sie nehmen ihre Arbeit sehr ernst, sind effizient. Aber Urlaub und Feierabend sind auch sehr wichtig! Briten sind weniger direkt als viele Deutsche. Es macht das Leben leichter, wenn es klare Ansagen gibt – aber es dauert eine Weile, sich daran zu gewöhnen.

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