Studie Kirchen verlieren bis 2060 Hälfte ihrer Mitglieder

Düsseldorf · Die beiden großen Kirchen in Deutschland müssen sich bis zum Jahr 2060 auf eine Halbierung ihrer Mitgliederzahlen einstellen. Das ist das Ergebnis einer am Donnerstag veröffentlichten Studie.

Eine Studie des Freiburger Forschungszentrums Generationenverträge (FFG) für die 20 evangelischen Landeskirchen und die 27 katholischen Diözesen in Deutschland besagt, dass die beiden großen Kirchen in Deutschland bis zum Jahr 2060 in ihrer Mitgliederzahl halbiert werden. Bereits bis 2035 werden beide großen Kirchen demnach 22 Prozent ihrer Mitglieder verlieren.

„Wir dürfen diese Entwicklung nicht schönreden“, sagte das Mitglied im Rat der EKD, der frühere Vorsitzende der Unternehmensleitung der Boehringer Ingelheim AG, Prof. Andreas Barner, als die Studie kürzlich Journalisten vorab präsentiert wurde. „Für die Kirchen ist es fünf vor zwölf.“ Für den Mitgliederrückgang nennt die Studie vor allem zwei Gründe: Den Sterbeüberschuss – in den nächsten Jahren werden erheblich mehr Kirchenmitglieder sterben, als Kinder geboren werden oder neue Mitglieder nach Deutschland zuziehen. Bis 2060 werden auf diese Weise 21 Prozent der Kirchenmitglieder verloren gehen. Der größere Mitgliederverlust wird nach Angaben des Leiters des FFG, Prof. Bernd Raffelhüschen, aber auf andere Faktoren zurückgehen: Den Verzicht von Familien auf die Taufe ihrer Kinder oder den Austritt von enttäuschten Mitgliedern.

„Das sind Dinge, die beeinflussbar sind“, sagte Raffelhüschen. „Die Kirchen sollten ihre Anstrengungen bei der Suche nach Zusammenhängen, die sie beeinflussen können, intensivieren.“ Schon seit einigen Jahren veranstalten einzelne Kirchenkreise beispielsweise Tauffeste, bei denen ungetaufte Kinder aus Kindertagesstätten gemeinsam getauft werden. Und immer mehr Gemeinden entscheiden sich zu neuen Gottesdienstformen oder für Angebote jenseits der Kirchenmauern, um Menschen zu erreichen. Die meisten Menschen treten der Studie zufolge im Alter zwischen 30 und 35 Jahren aus der Kirche aus.

Das ist das Alter, in dem bei vielen Menschen die Berufstätigkeit beginnt – und in dem auch das erste Mal die Kirchensteuer anfällt. Für diesen, an die Einkommenssteuer gekoppelten Mitgliedsbeitrag der Kirchen rechnen die Studienautoren aufgrund des parallel ansteigenden Lohnniveaus zwar nicht mit einem nominellen Rückgang, wohl aber mit einem erheblichen Kaufkraftverlust. Wie 2017 werden die Kirchen auch 2060 noch rund 12 Milliarden Euro aus der Kirchensteuer erlösen. Um sich die Dinge leisten zu können, die sie heute mit 12 Milliarden Euro finanzieren, wären dann allerdings rund 25 Milliarden erforderlich. Beide großen Kirchen werden in den kommenden Jahren also erhebliche Sparanstrengungen unternehmen müssen.

„Wir glauben nicht, dass diese Entwicklung gottgegeben ist“, sagte Barner. Die EKD werde sich in den nächsten Jahren die Frage stellen, in welche Richtung sich die Kirche entwickeln solle. Besonders bei jungen Menschen und ihrer Rolle in der Kirche wolle man künftig genauer hinschauen. „Wir haben viele Einflussmöglichkeiten“, sagt auch der Finanzdirektor des katholischen Erzbistums Berlin, Bernd Jünnemann. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm verwies auf die „vielen Millionen Menschen, die sich in den Gemeinden und diakonischen Einrichtungen der Kirche engagieren.“ Sie seien „schon heute die besten Botschafter der Kirche von morgen“. Und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, sieht in der Studie auch einen „Aufruf zur Mission“. „In der Kirche geht es immer darum, das Evangelium weiterzusagen, auch unter veränderten Bedingungen.“

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