Die Schau zum Tier Museum erforscht das schlechte Image des Wolfs

Köln · Der Wolf ist zurück in Deutschland. Passend dazu untersucht eine Ausstellung sein Bild in der Kunst. Der Kurator hat sogar eine Theorie dazu entwickelt, warum der Wolf ein so schlechtes Image hat. Man muss dafür 2000 Jahre zurückgehen.

 Eine Wolfsdarstellung von Marcus de Bye im Wallraf-Richartz-Museum.

Eine Wolfsdarstellung von Marcus de Bye im Wallraf-Richartz-Museum.

Foto: Rolf Vennenbernd

"Der Wolf ist tot, der Wolf ist tot", jubeln die sieben Geißlein im Märchen der Brüder Grimm. Aber das war einmal - der Wolf ist quicklebendig.

Selbst Teile des Ruhrgebiets gehören mittlerweile offiziell zu seinem Revier. Und mit der Rückkehr des Raubtiers ist auch das alte Bild von der Schafe reißenden und Menschen bedrohenden Bestie wieder da.

Diese verengte Sicht wird jetzt durch eine kleine, aber interessante Kunstausstellung im Kölner Wallraf-Richartz-Museum erweitert. Bis Ende April sind in der Schau "Zwischen Mythos und Märchen" etwa 30 Wolf-Darstellungen seit dem 16. Jahrhundert zu sehen, darunter Werke von Giovanni Benedetto Castiglione, Peter Paul Rubens, Gustav Doré, Lovis Corinth und Max Klinger.

Ein positives Bild des Wolfs vermittelt zum Beispiel die antike Sage von Romulus und Remus, die von einer Wölfin - Mamma Lupa - gesäugt werden. Man könnte Rudyard Kiplings Mogli hinzufügen, der ebenfalls bei Wölfen aufwächst. Die nordamerikanischen Indianer verehrten den Wolf.

Im deutschen Märchen und im Volksglauben überwiegt jedoch das Bild vom blutrünstigen Monster. Jeder, der im Zoo oder in einem Wildgehege schon mal einem leibhaftigen Wolf gegenübergestanden hat, wird sich fragen, womit dieses Tier - kaum furchteinflößender als ein Schäferhund - das verdient hat. Thomas Ketelsen, der Kurator der Kölner Ausstellung, hat dazu eine interessante Theorie entwickelt: Der Kunsthistoriker verweist auf die antike Legende von König Lykaon, der Menschenopfer darbringt. Die Götter verwandeln ihn daraufhin zur Strafe in einen Wolf.

Die Geschichte fand große Verbreitung und kann vielleicht erklären, warum die Menschen im Wolf immer schon etwas Dunkleres gesehen haben als nur ein wildes Tier. Der Wolf stünde demnach für die Überschreitung zivilisatorischer Grenzen, für das Tier im Menschen schlechthin. "Ich glaube, es ist diese Besetzung, die dem Wolf ganz unterschwellig - kein Mensch weiß mehr davon - bis heute anhaftet", meint Ketelsen.

Das Motiv wurde im Mittelalter von Werwolf-Sagen aufgenommen - auch hier ist das Tier wieder ein verwandelter Mensch. Im bekanntesten Wolfsmärchen "Rotkäppchen" wiederum symbolisiert er die sexuelle Gier des Mannes. Eigentlich ist es also nie das Tier, das böse ist, sondern der darin versteckte Mensch.

Die Märchen entstanden in der Frühen Neuzeit, als die Wälder in Europa großenteils abgeholzt wurden: Man benötigte das Holz zum Bauen und Heizen. Dadurch wurde der Lebensraum des Wolfs immer weiter eingeschränkt, und es kam zwangsläufig zu Konfrontationen. Auch das könnte mitgespielt haben. Die heutigen Waldbestände entstanden ganz überwiegend erst im 19. Jahrhundert durch Aufforstung.

"Auffällig ist, dass der Wolf in den Zeiten, als er tatsächlich noch eine Bedrohung war, durchweg als großes böses Tier dargestellt wurde", erläutert Bilderbuch-Expertin Maria Linsmann. "Im 20. Jahrhundert dagegen, als er hier ausgestorben war, bekommen Darstellungen des Wolfs eine ironisch-witzige Note - er wird mitunter regelrecht verulkt."

Von dieser These ausgehend, müsste sich gerade jetzt wieder eine Verschiebung ergeben, weil der Wolf erneut präsent ist. "Ich vermute allerdings, dass der Tierschutz mittlerweile so stark ist, dass die allermeisten rufen werden: "Ach guck mal, der süße arme Wolf!""

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