Instandsetzung Sanierung einer Ikone - Puzzle mit 35.000 Teilen

Berlin · Eigentlich sollte es ein Pavillon für eine Rum-Fabrik werden. Doch stattdessen schuf Mies van der Rohe in Berlin ein legendäres Museum. Derzeit wird es generalüberholt.

Joachim Jäger, Leiter der Neuen Nationalgalerie, ist mit dem Voranschreiten der Bauarbeiten zufrieden.

Foto: Jörg Carstensen

Die Neue Nationalgalerie in Berlin, eines der schönsten Ausstellungshäuser der Welt, ist nur noch ein Gerippe. Das kühne Gebäude von Ludwig Mies van der Rohe ist völlig entkernt, die spektakulären Glasfassaden mit Plastikplanen verhängt, das Stahldach nackt.

Und trotzdem sind die Verantwortlichen hochzufrieden. "Wir sind mit der Sanierung des Rohbaus nahezu fertig und haben mit dem dritten Bauabschnitt begonnen. Wir läuten jetzt den Endspurt ein", sagt Arne Maibohm, verantwortlicher Projektleiter vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, am Dienstag bei einer Baustellenbegehung.

Die von Stararchitekt David Chipperfield geplante Sanierung der Architekturikone soll nach vier Jahren 2019 abgeschlossen werden, 2020 könnte das Haus mit seiner hochkarätigen Sammlung von Kunst aus dem 20. Jahrhundert wieder öffnen. "Wir liegen vom Plan her auf dem roten Faden", versicherte Maibohm.

Von der auf rund 110 Millionen Euro veranschlagten denkmalgerechten Instandsetzung soll am Schluss möglichst wenig zu sehen sein. "Wir wollen so viel Mies wie möglich erhalten", sagt Projektleiter Michael Freytag vom Büro Chipperfield. Nach einem akribischen Plan wurden dafür 35.000 Originalteile aus dem Glaspavillon ausgebaut, verpackt, inventarisiert und mit einer 16-stelligen Depotnummer versehen.

Jetzt lagern Steinplatten, Holzpaneele, Deckenelemente, Treppenstufen, Möbel und vieles andere mehr in klimatisierten Lagerräumen rund um Berlin und warten auf ihren Wiedereinbau. Allein 2000 Originalleuchten werden auf LED umgerüstet. "Wer schon mal ein 35.000-Teile-Puzzle gemacht hat, weiß, was auf uns zukommt", sagt Maibohm.

Der Deutsch-Amerikaner Mies van der Rohe hatte mit dem 1968 eröffneten Bau Architekturgeschichte geschrieben. Auf dem Entwurf für ein nicht realisiertes Verwaltungsgebäude einer kubanischen Rum-Firma basierend, gilt der 2500 Quadratmeter große Glaspavillon mit seinem freitragenden Stahldach als Ikone der Klassischen Moderne.

Schwierigstes Projekt bei der Sanierung sind die riesigen Frontscheiben. Einige waren schon im ersten Jahr nach der Eröffnung gesprungen, weil die tragende Stahlkonstruktion sich im ungewohnten Berliner Klima stärker ausdehnte als gedacht. Am Schluss waren 80 Prozent kaputt.

Nun sollen neue Dehnpfosten für einen besseren Schutz sorgen. Die Scheiben selbst müssen eigens aus China angeliefert werden - dort sitzt die weltweit einzige Firma, die noch eine Überbreite von 3,40 Metern Glas produzieren kann. Derzeit schippert die Ladung durch die Straße von Gibraltar. Dem Denkmalschutz zuliebe verzichten die Bauherren dabei auf Wärmeschutzglas. "Die Halle lebt von ihrer Leichtigkeit. Sie muss so wirken wie zuvor", sagt Freytag.

Auch der Beton in den tragenden Wänden im Untergeschoss erwies sich als deutlich maroder als geplant - er musste wie ein Flickenteppich ausgebessert oder ersetzt werden. Und natürlich waren bei einem Gebäude aus den 60er Jahren auch massenweise Schadstoffe zu entsorgen. "Wenn Sie in Google "Schadstoffe" eingeben, kriegen Sie die ganze Liste. Wir hatten alles - vor allem massiv Asbest und PCB", so Maibohm.

Am Wochenende (15./16. September) können Besucher erstmals einen Eindruck von den Baufortschritten bekommen. Zu ihrem 50-jährigen Bestehen lädt die Neue Nationalgalerie zu öffentlichen Führungen. Alle Termine sind bereits ausgebucht.