Sex-Skandal im Weißen Haus - Neuinszenierung von "Semele"

Karlsruhe · Sex, Heuchelei, Ehebruch, Rache und Entführung: Das sind klassische Themen der Mythologie. Wie aktuell sie heute noch sind, zeigt die Inszenierung der Oper "Semele" bei den Karlsruher Händel-Festspielen.

 Jennifer France (Semele, links), Katharine Tier (Juno, Mitte) und Ed Lyon (Jupiter/Apollo, rechts) in der Oper Semele von Georg Friedrich Händel.

Jennifer France (Semele, links), Katharine Tier (Juno, Mitte) und Ed Lyon (Jupiter/Apollo, rechts) in der Oper Semele von Georg Friedrich Händel.

Foto: Uli Deck

Sex und Macht - ein zeitloses Thema. Zum Auftakt der Karlsruher Händel-Festspiele hat Regisseur Floris Visser das mehr als 270 Jahre alte Werk "Semele" ins Weiße Haus verlegt und auf den früheren US-Präsidenten Bill Clinton und Praktikantin Monica Lewinsky übertragen.

Am Freitagabend hatte die Neuinszenierung des Dramas unter dem Dirigat von Christopher Moulds Premiere am Badischen Staatstheater. Nach 1741 komponierte Georg Friedrich Händel (1685-1759) keine Opern mehr. Der deutsch-britische Barockkomponist feierte dann mit seinen Oratorien Erfolge beim englischen Publikum. Immer wieder reizt es Opernregisseure heute, diese Oratorien in Opern-Form auf die Bühne zu bringen. "Semele" aus dem Jahr 1744 ist dafür wie geschaffen.

Semele, eine schöne Sterbliche, verfällt in dem Drama den Reizen des Gottes Jupiter. Der entführt sie in sein Liebesnest - Göttergattin Juno ist entsetzt. In der antiken Mythologie endete die Sache tödlich.

In Vissers Inszenierung wird pausenlos gefilmt und fotografiert. Nicht einmal Jupiters Bett ist vor den Paparazzi sicher. Und so präsentieren die Zeitungen Fotos mit der Schlagzeile "Sex-Skandal im Weißen Haus". Vissers Regie überzeugt mit einer Fülle einfallsreicher, witziger Details. Das Bühnenbild und die Kostüme von Gideon Davey fangen die Atmosphäre des Regierungssitzes in Washington perfekt ein. Die Inszenierung politischer Macht gerät zu einer pausenlosen Medienshow.

Die Karlsruhe "Semele" überzeugt auch musikalisch. Jennifer France singt und spielt die tragische Titelheldin mit ihrem glänzenden Sopran, höhensicher und mit atemberaubenden Koloraturen. Ed Lyon macht aus der Rolle des "Präsidenten" Jupiter eine kabarettreife Politiker-Nummer. Er kokettiert mit den Kameras, schüttelt pausenlos Hände, zeigt sein gut einstudiertes Dauerlächeln. Im Gegensatz zu den echten Politikern verfügt er aber auch noch über einen strahlenden Tenor. Terry Wey (Athamas), Katharine Tier (Juno) und Dilara Baştar (Ino) komplettieren das festspielreife Solistenensemble.

Die Deutschen Händel-Solisten - das festivaleigene Barockorchester - laufen unter der Leitung von Christopher Moulds zu großer Form auf. Überzeugend entfalten sie das dramatische Potenzial aus Händels reifer Partitur. Eine Klasse für sich ist der Händel-Festspielchor (Leitung: Carsten Wiebusch). Er wurde eigens für dieses Festival gegründet, denn die Händel-Festspiele finden zum 40. Mal statt. Die 25 jungen Sängerinnen und Sänger, viele von ihnen Studenten der Hochschule für Musik Karlsruhe, singen und spielen mit Witz und Engagement.

Bis zum 5. März wird sich während der Händel-Festspiele in Karlsruhe alles um den deutsch-britischen Komponisten drehen. Am 24. Februar soll die Wiederaufnahme der Oper "Arminio" folgen. Daneben stehen mehrere Konzerte auf dem Programm. Die ersten Händel-Festspiele am Badischen Staatstheater rund um den Geburtstag des Barock-Musikers am 23. Februar gab es 1977, zunächst noch als Händel-Tage. Im vergangenen Jahr kamen nach Angaben von Generalintendant Peter Spuhler mehr als 15 000 Besucher.

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