Autor der Superlative Stephen King wird 70

Mehr als 50 Romane, 200 Kurzgeschichten, in mehr als 50 Sprachen übersetzt, 400 Millionen verkaufte Bücher: Stephen King ist ein Autor der Superlative. Eine Würdigung zum 70. Geburtstag.

 Dass grinsend geschminkte Gestalten nicht so komisch sind, wie alle Welt behauptet, wussten Stephen-King-Leser schon lange: Bill Skarsgård als Horrorclown „Pennywise“ in Andrés Muschiettis aktueller Neuverfilmung von Kings Klassiker „Es“ aus dem Jahr 1986.

Dass grinsend geschminkte Gestalten nicht so komisch sind, wie alle Welt behauptet, wussten Stephen-King-Leser schon lange: Bill Skarsgård als Horrorclown „Pennywise“ in Andrés Muschiettis aktueller Neuverfilmung von Kings Klassiker „Es“ aus dem Jahr 1986.

Foto: picture alliance / dpa

Alice? „Niemand in Florida nennt außerhalb der Saison auftretende Stürme “Alice„ – niemand außer mir“, schreibt Stephen King selbstironisch im Nachwort seines Romans „Wahn“ (der Originaltitel „Duma Key“ passt wesentlich besser zu der Geschichte, wie eigentlich immer). Es geht um den früheren Bauunternehmer Edgar Freemantle, der nach einem schweren Unfall eine einsame Villa auf einer kleinen Insel vor der Westküste Floridas bezieht und Trost in der Malerei sucht. Das idyllische Eiland übt eine dämonische Macht aus, und die Bilder Edgars entwickeln rasch ein Eigenleben.

2008 erschien jene spannende Reflexion über entfesselte Kreativität und Erinnerungen, die wie interne Gerüchte wirken – und ein Hurrikan namens „Alice“ spielt eine nicht unwesentliche Nebenrolle. Dato verbrachten Stephen King und seine Frau Tabitha bereits seit sieben Jahren die Wintermonate nicht mehr im (zur besagten Jahreszeit recht unwirtlichen) US-Bundesstaat Maine, Kings Heimat, sondern in einem Herrenhaus auf einer kleinen Insel namens Casey Key vor der Westküste Floridas, ungefähr 60 Meilen südlich von Tampa.

Die jüngsten schweren Verwüstungen durch den Wirbelsturm „Irma“ verfolgte das Ehepaar King allerdings von seinem Anwesen in Bangor (Maine) aus und drückte via offizieller Homepage Nachbarn, Freunden und allen Bewohnern der Region die Daumen: „Weather the storm!“ (Übersteht den Sturm!).

King wird nur noch selten auf den Horror-Autor reduziert

Ob sich der erklärte Anhänger der Demokratischen Partei überhaupt noch in den Vereinigten Staaten von Amerika wohl fühlt? Schließlich hatte Stephen King vor der US-Präsidentschaftswahl angekündigt, im Falle eines Wahlsieges von Donald Trump auszuwandern. Was ihn erst einmal weiter davon abhalten könnte, sind seine kontinuierliche Schaffenskraft und die damit verbundenen Kreise, die sich ausbreiten. Am 21. September wird der leidenschaftliche Rockmusiker, Radiosender-Eigentümer, Baseball-Enthusiast, Motorradfahrer, Italowesternfan und Romancier, der immer seltener auf einen Horror-Autor reduziert wird, 70 Jahre alt.

Fast zeitgleich startet die spektakuläre Neuverfilmung eines seiner Schlüsselromane („Es“) in den Kinos (am 8. September in den USA, am 28. September in Deutschland); am 9. Oktober erscheint in Deutschland seine Novelle „Gwendys Wunschkasten“ (die er zusammen mit Richard Chizmar verfasst hat), und ab dem 13. November wird der 960-Seiten-Thriller „Sleeping Beauties“ in den deutschen Buchhandlungen stehen, den King mit seinem Sohn Owen geschrieben hat.

Kurze Zeit hatte er als Englischlehrer gearbeitet, lebte frisch angetraut mit seiner Tabitha in einem Wohnwagen und tippte Kurzgeschichten auf einer Reiseschreibmaschine. Mit dem ersten Roman „Carrie“ gelang ihm 1973 sofort der Durchbruch. Die Taschenbuchrechte wurden ihm aus den Händen gerissen und mit 400.000 Dollar vergoldet, damals eine unglaubliche Summe.

Seit 46 Jahren verheiratet

Unglaublich ist auch die weitere Karriere des Ausnahmeschriftstellers. King ist ein Mann der Superlative: Mehr als 50 Romane hat er geschrieben, mehr als 200 Kurzgeschichten, mehr als 400 Millionen Exemplare seiner Bücher wurden verkauft und in mehr als 50 Sprachen übersetzt. Die International Movie Database listet gegenwärtig 238 filmische Produktionen auf, die in irgendeiner Weise mit ihm zu tun haben, ob realisiert oder nicht.

Weitere Fakten: Seit 46 Jahren ist er mit derselben Frau verheiratet, Tabitha, die ebenfalls schriftstellerisch tätig und – nach seinen Angaben – seine erste, schärfste und wichtigste Kritikerin ist. Die Eheleute haben eine Tochter und zwei Söhne, welche ihrerseits als Autoren reüssierten (der eine unter dem Pseudonym Joe Hill und der andere unter seinem Klarnamen Owen King). Im Juni 1999 wird Stephen King als Fußgänger an einer Landstraße von einem Lieferwagen angefahren und schwer verletzt.

Körperlich richtig erholt hat er sich davon bis heute nicht. Dass in den 70er und 80er Jahren viele seiner Werke wie etwa „Shining“ und „Friedhof der Kuscheltiere“ im Vollrausch entstanden sind, daraus hat King nie einen Hehl gemacht. Die Anonymen Alkoholiker halfen ihm, im Oktober 1988 ein trockener Alkoholiker zu werden. Und sie helfen ihm bis heute, es zu bleiben. Wann er zuletzt an einen Drink gedacht habe, wollte ein Reporter kürzlich von ihm wissen. Vor zwei Stunden, antwortete King.

Von Obama geehrt

Sein erstaunliches, vielschichtiges Werk umfasst nicht allein genuinen Horror mit weit reichenden Hintergründen (zum Beispiel „Brennen muss Salem“ und „In einer kleinen Stadt“), sondern auch beunruhigende Parabeln auf das Schriftstellerdasein („Sara“ und „The Dark Half“) sowie minutiöse Protokolle aus menschlichen Extremsituationen („Puls“ und „Die Arena“). Hinzu kommen monolithische Meisterwerke wie das apokalyptische Epos „The Stand – Das letzte Gefecht“ oder der Monolog einer geschundenen Frau, die über sich hinauswächst („Dolores“).

Mit der amerikanischen Erinnerungssinfonie „Atlantis“ (1999) hat Stephen King die Epoche seiner Generation beschrieben; ein Thema, das er zwölf Jahre später in bestechender Manier mit dem Zeitreise-Gedankenspiel um das Kennedy-Attentat erneut aufgriff: „Der Anschlag“.

2015 ehrte ihn US-Präsident Barack Obama mit der National Medal of Arts. „Schreiben ist Magie, ist das Wasser des Lebens, genau wie jede andere kreative Kunst auch“, formuliert King am Ende seines persönlichsten Buches „Das Leben und das Schreiben“ (2000). „Es ist umsonst. Trinket also. Trinket und erquicket euch.“

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