Regisseur und Drehbuchautor: Martin McDonagh im Gespräch „Superhelden-Franchise reizt mich nicht“

Interview | Bonn · Der irische Filmemacher Martin McDonagh über sein jüngstes Werk „The Banshees of Inisherin“, was ihn als Künstler antreibt und warum er als Oscar-Peisträger die große Bühne Hollywood nicht braucht.

Preisträger unter sich: Colin Farrell (links), als bester Schauspieler ausgezeichnet, und Golden-Globe-Gewinner Martin McDonagh in Los Angeles.

Preisträger unter sich: Colin Farrell (links), als bester Schauspieler ausgezeichnet, und Golden-Globe-Gewinner Martin McDonagh in Los Angeles.

Foto: AP/Chris Pizzello

Zuletzt gab es drei Golden Globes für sein „The Banshees of Inisherin“ (Beste Komödie, bestes Drehbuch, bester Schauspieler in einer Komödie): Martin McDonagh ist ein Spezialist für cineastische Feinkost, auch wenn manche seiner Leinwandcharaktere durchaus einen Hang zum Groben haben mögen. Hier sprcht der irischen Dramatiker und Regisseur nicht nur über sein jüngstes Meisterwerk.

Filme über zerbrechende Liebesbeziehungen gibt es wie Sand am Meer. In „The Banshees of Inisherin“ erzählen Sie vom abrupten Ende einer Männerfreundschaft, die von einem der beiden von einem Tag auf den anderen einfach aufgekündigt wird. Wie sind Sie zu dieser Geschichte gekommen?

Martin McDonagh: In erster Linie ging es mir darum, die Traurigkeit einer zerbrochenen Beziehung einfangen und so wahrheitsgetreu wie möglich zu beschreiben. Dabei wollte ich beide Seiten gleichermaßen beleuchten. Die Sicht des Mannes, der nicht verstehen kann, warum ihn sein Freund plötzlich nicht mehr sehen will. Aber auch die Seite des Mannes, der den Bruch auf eine sehr harte Weise vollzieht. Selbst wenn er sich nicht besonders fair verhält, sind seine Gründe nachvollziehbar.

Ist der Film als Gegenstück zu „Brügge sehen...und sterben“ zu sehen, in dem Brendan Gleeson und Colin Farrell zwei Gangster spielen, die eine sehr enge Beziehung zueinander entwickeln?

McDonagh: Diese beiden Schauspieler wieder vor der Kamera zusammenzubringen, war eine wichtige Motivation für den Film. Wir hatten bei den Dreharbeiten zu „Brügge“ eine gute Zeit miteinander und wir wollten unbedingt noch einmal einen Film zusammen machen. Brendan Gleeson und Colin Farrell mögen sich als Menschen, Schauspieler und Freunde. Da schien es uns interessant, in diesem Film das Gegenteil davon zu erforschen. Wir wollten uns vorstellen, was passieren würde, wenn sich diese beiden Männer nicht mehr leiden können.

Was macht für Sie die besondere Qualität dieser beiden Schauspieler aus?

McDonagh: Sie bringen beide eine große Verletzlichkeit in ihre Rollen ein. Es macht ihnen nichts aus, Schwäche zu zeigen – und das ist sehr wichtig für einen Schauspieler. Deshalb habe ich ihnen auch viel Raum zwischen den Zeilen gelassen. Ein großer Teil des Films besteht aus den wortlosen Reaktionen auf das, was die andere Person sagt. Als Colin Farrells Figur erfährt, dass sein Freund ihn nicht mehr mag, verschlägt es ihm zunächst die Sprache. Der Schmerz und die Traurigkeit, die durch Colins Gesicht gehen, verleihen der Figur in diesem Moment eine besondere Sensibilität und Menschlichkeit. Auch Brendan Gleeson hat einige solcher Momente. Bevor er nach einer harten Auseinandersetzung den Tisch verlässt, kann man in seinen Augen immer noch die Liebe der Figur zu ihrem früheren Freund erkennen, auch wenn sie ihre Entscheidung unerbittlich durchzieht.

„The Banshees of Inisherin“ ist auch ein Film über den unterschiedlichen Umgang mit Einsamkeit. Sind Männer anders einsam als Frauen?

McDonagh: Männer versuchen ihre Einsamkeit zu verdrängen und können nicht darüber sprechen. Es gibt eine Szene, in der die Schwester ihren Bruder fragt, ob er sich denn auf der Insel nie einsam fühle. Aber er geht nicht einmal auf die Frage ein, weil Männer über solche Dinge nicht reden. Frauen sind in der Lage, das Thema anzusprechen und damit etwas gegen ihre Einsamkeit zu tun. Die Schwester ist die einzige Figur im Film, die ihr Leben ändert, um sich zu retten. Die beiden Männer hingegen befinden sich in dieser Spirale aus Hoffnungslosigkeit und Wut und können nicht über den Schatten ihres Egos springen.

Irland wird im Kino oft auf eine sehr romantisierte Weise dargestellt. Ist ihr Film da ein bewusster Gegenentwurf?

McDonagh: Ich weiß nicht, warum Irland von vielen Menschen so oft romantisiert wird. Sicherlich, es ist ein wunderschönes Land. Aber davon es gibt eine Menge. Es gibt eine simplifizierende, süße, gefällige Version der irischen Geschichte. Aber kein Land der Welt ist die pure Idylle. Schon gar nicht Irland. Ich bin in meinen Filmen und Theaterstücken immer daran interessiert, die andere Seite der Geschichte zu zeigen. Ich versuche, das Herz, die Wahrheit und die dunklen Seiten eines Ortes zu ergründen.

Ihr letzter Film „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ wurde mit zwei Oscars ausgezeichnet und war in fünf weiteren Kategorien nominiert. Danach hätte man eine steile Hollywood-Karriere erwartet. Stattdessen sind Sie vier Jahre später mit dieser bescheidenen Produktion in ihr Heimatland Irland zurückgekehrt. Das Blockbuster-Kino in Hollywood interessiert sie nicht?

McDonagh: Ich bin froh und glücklich, wenn ich in dieser Größenordnung meine eigenen, hoffentlich intelligenten, düsteren und lustigen Filme machen kann. So etwas wie ein Superhelden-Franchise reizt mich überhaupt nicht. Bei solchen Filmen gibt es eine konstante Einmischung von außen. Wenn ein Film 100 Millionen Dollar kostet, gibt es 100 Millionen dumme Meinungen, die berücksichtigt werden wollen. Wenn man hingegen das Budget niedrig hält, biete ich dem Studio das Drehbuch unter der Bedingung an, dass ich den Film genauso mache, wie ich es will. Das wäre bei einem Superheldenfilm nicht möglich.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Salman Rushdies Antwort auf den Hass
„Knife“: Das Buch über die Messerattacke Salman Rushdies Antwort auf den Hass
Zum Thema
Tacos mit bitterbösen Gravuren
„The Menu“ mit Ralph Fiennes Tacos mit bitterbösen Gravuren
Aus dem Ressort