Macht und Missbrauch Takis Würgers "Der Club" in Hannover auf der Bühne

Hannover · Er hat in Cambridge studiert, geboxt, aber kein Verbrechen begangen, heißt es im Vorwort von "Der Club" über den Autor Takis Würger. Auf der Bühne wird der Roman auch zu einem Beitrag zur MeToo-Debatte.

Darsteller bei den Proben für das Theaterstück "Der Club" am Schauspiel Hannover.

Darsteller bei den Proben für das Theaterstück "Der Club" am Schauspiel Hannover.

Foto: Julian Stratenschulte

Ein elitärer Studentenclub als Hort von Gewalt, Lügen und Verbrechen: In seinem Debütroman "Der Club" beleuchtet der 33 Jahre alte Takis Würger fragwürdige Männerbünde an der britischen Elite-Universität Cambridge, die so viele Nobelpreisträger hervorgebracht hat.

Der Mix aus satirischem Campus-Roman, Krimi und Liebesgeschichte landete 2017 auf den Bestseller-Listen, das Schauspiel Hannover hat daraus eine Theaterstück gemacht. Es wurde bei der Uraufführung am Samstag mit langem Applaus gefeiert.

Im Mittelpunkt steht der 19-jährige Hans, ein Außenseiter, dem als Kind nur das Boxen Halt gibt. Nach dem Tod seiner Eltern wächst er im Internat auf, bis ihn seine Tante - eine Professorin in Cambridge - nach England holt. Dort erhält er den Auftrag, das düstere Geheimnis des Pitt Clubs aufzuklären. Die Söhne aus gutem Haus treffen sich hier nicht nur zum Boxen und Kontakteknüpfen für ihre künftigen Spitzenjobs, sondern feiern auch Party-Exzesse, inklusive Gruppenvergewaltigung. Damit nimmt der bereits Anfang 2017 erschienene Roman Aspekte der MeToo-Debatte vorweg. Der "Spiegel"-Reporter Würger hat selbst ein Jahr in Cambridge studiert und dort geboxt.

Regisseur Alexander Eisenach findet stimmige Bilder für die Atmosphäre des Buches, das märchenhaft beginnt. Zu Anfang steigt Theaternebel auf und Schauspielerin Susana Fernandes Genebra deklamiert bedeutungsschwer: "Im südlichen Niedersachsen liegt ein Wald, der Deister, darin stand ein Haus aus Sandstein, in dem früher der Förster gewohnt hatte und das durch eine Reihe von Zufällen und den Kredit einer Bank in den Besitz eines Ehepaares kam, das dort einzog, damit die Frau in Ruhe sterben konnte."

Gut funktioniert der Regie-Kniff, dass der junge naive Hans von dem weißhaarigen über 60-Jährigen Wolf List verkörpert wird. Szenenapplaus bekommen die jungen Snobs aus dem Pitt Club - etwa Josh (Philippe Goos), der in goldener Unterwäsche in einem Kasten mit Spiegeln und schimmernden Vorhängen liegt und sich an sich selbst berauscht. Narzisstisch und skrupellos sind die künftigen Entscheider in den Top-Positionen Großbritanniens - eigentlich arme Würstchen. Warum sich die Frauen - also die Professorin und die Doktorandin Charlotte - auf solche Männer einlassen, wird nicht ganz klar. Immerhin haben sie entschieden, keine Opfer mehr zu sein und Rache zu üben.

Das etwa 140-minütige Stück verfolgen die Zuschauer wie in einer Box-Arena von Rängen auf beiden Seiten. Nach dem grellen, satirischen Mittelpart werden am Schluss ernste Fragen nach der Konstruktion von Wirklichkeit gestellt. Ein Opfer schildert eine Vergewaltigung, der Täter will die Gewalttat als von der Frau gewolltes Sadomaso-Spiel verkaufen.

Während die Mitwirkenden nach der Inszenierung gefeiert werden, umarmt der Autor den Regisseur. Die beiden hatten vor Beginn der Proben zusammen einen Boxkampf zwischen den Studenten-Teams aus Cambridge und Oxford besucht. Wenn sich ein Buch gut verkauft, sind meist mehrere Theater an der Bühnenfassung interessiert. Takis Würger hatte sich das Schauspiel Hannover als Uraufführungsort gewünscht, weil er in der Nähe aufgewachsen ist und ihn schon als Schüler Aufführungen in diesem Theater faszinierten. Es war also ein Heimspiel.

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