"Maybrit Illner" im ZDF Talkgäste diskutierten über kriminelle Clans

BONN · Allein in NRW erbeuteten 50 kriminelle Clans Schätzungen des LKA zufolge im Jahr 2017 mehr 27 Millionen Euro Beute. Maybrit Illner will im ZDF-Talk herausfinden, wie diese Kriminalität eingedämmt werden kann. Ihre Gäste versichern: Ein Anfang ist gemacht.

Darum ging’s

“Geraten kriminelle Clans in Deutschland außer Kontrolle?”, fragte Maybrit Illner am Donnerstagabend. Sie will wissen, wie groß die Gefahr durch kriminelle Mitglieder arabischer Großfamilien geworden ist.

Die Gäste

  • Herbert Reul, Innenminister Nordrhein-Westfalen, CDU
  • Dirk Behrendt, Berliner Justizsenator, Bündnis 90/Die Grünen
  • Sebastian Fiedler, Kriminalhauptkommissar, Bundesvorsitzender Bund Deutscher Kriminalbeamter
  • Ralph Ghadban, Autor “Arabische Clans - Die unterschätzte Gefahr”
  • Laura Garavini, deutsch-italienische Abgeordnete und Antimafia-Kämpferin
  • Laszlo Anisic, Strafverteidiger

Frontverlauf

Warum reden wir plötzlich über arabische Clans? Maybrit Illner zeichnet ein düsteres Bild: Schmuggel, Drogen, Prostitution, Schutzgeld - in manchen Problemvierteln Deutschlands sei der negative Einfluss arabischer Familienbanden offenbar so groß, dass sich Menschen nicht mehr auf die Straße trauten. Genau das ist Sebastian Fiedler zufolge ein Grund, warum jetzt mehr und mehr über arabische Familienbanden gesprochen werde: “Das Problembewusstsein ist gestiegen”, so der Kriminalhauptkommissar. Daher ergreife die Politik jetzt verstärkt Maßnahmen um die Kriminalität zu unterbinden. Lange hätte es keine politische Rückendeckung für konzentriertes Eingreifen gegeben, jetzt ändere sich die Situation, auch weil es inzwischen gesetzlich mehr Handlungsspielraum gebe. Er fordert die Regierung auf, durch mehr Polizeipersonal häufigeres Eingreifen zu ermöglichen. “Sonst werden wir mit der Bekämpfung des Problems in den nächsten fünf oder sechs Jahren scheitern”.

NRW-Innenminister Herbert Reul räumt ein, die Politik habe lange nicht angemessen reagiert, jetzt aber bemühe man sich, die Strukturen zu zerschlagen. Dazu gehöre auch die große Razzia im Ruhrgebiet am 13. Januar, bei der 1300 Beamte im Einsatz waren. Derlei Aktionen würden für “Unruhe und Nervosität im Milleu sorgen, eine Strategie der “permanenten Nadelstiche” könne auch jüngere Mitglieder der Banden und vor allem Frauen zum Aussteigen bewegen. Reul beschreibt aber auch, wie schwer es sei, an Täter heranzukommen, weil Familienmitglieder zusammenhalten. Seine Behörden würden jedoch verstärkt daran arbeiten, Einzelne aus kriminellen Clans herauszulösen.

Dass lange nicht genug getan wurde, beklagt auch Migrationsforscher Ralph Ghadban. Er erinnert an arabische Clans, die entstanden, nachdem in den 1980ern Menschen vor dem Bürgerkrieg im Libanon flohen, und ohne Asyl zwar geduldet wurden aber nicht arbeiten durften und in die Kriminalität abrutschten. Großfamilien seien als Gruppe ein Problem: “In unserer modernen Gesellschaft steht das Individuum im Vordergrund,” sagt Ghadban. Eingliederung funktioniere nur mit Einzelnen. Die Integration von Gruppen funktioniere hingegen nicht, ohne Sprengung der Gruppen sei daher Integration unmöglich. “Um Clan-Kriminalität zu bekämpfen muss man sie erstmal sehen”, kritisiert Ghadban weiter. 40 Jahre lang hätten die zuständigen Behörden nicht gesehen, was eigentlich ablief.

Die Antimafia-Kämpferin Laura Garavini stellt fest, dass jetzt in der Tat Gesetzeslücken geschlossen würden, die es Mafia und Familienbanden in Deutschland bisher zu leicht gemacht hätten. Dazu gehöre auch die Beschlagnahmung von kriminell erworbenen Gütern.

Dem stimmt auch Fiedler zu: “Verbrechen lohnt sich”, kritisiert er und zählt auf, dass pro Jahr in Deutschland 100 Milliarden Euro kriminell erwirtschaftet und gewaschen würden. Beschlagnahmt würden davon nicht mal ein Prozent, sagt der Kriminalhauptkommissar und fordert: “Wir müssen unsere Instrumentarien besser nutzen können.”

Für Dirk Behrendt ist eines dieser Instrumentarien die “Vermögensabschöpfung”, wie sie zum Beispiel die Beschlagnahmung von 77 Immobilien im Sommer im Berlin darstellte. Derlei Maßnahmen demonstrieren nach Ansicht des Berliner Justizsenators deutlich, dass sich Verbrechen eben nicht lohne. In kriminellen Karrieren werde Zeit im Gefängnis einkalkuliert. Fehle allerdings unterdessen das Geld für Frauen und Kinder, sehe das schon anders aus. Er sei optimistisch, dass man mit den neuen Möglichkeiten der Vermögensabschöpfung auf dem richtigen Weg sei.

Strafverteidiger Lazlo Anisic sorgt sich um die moderne Rechtsprechung, in der schon drei Personen als Bande betrachtet würden. Zudem warnt er vor Unverhältnismäßigkeit bei Eingriffen: Wenn die Familie eines 15-jährigen Fahrraddiebes mit einer schwer bewaffneten Großaktion erschreckt werde, gehe das zu weit. Fiedler kommentiert sachlich: Das Vorgehen sei rechtsstaatlich abgesichert, die Polizisten hätten ihre eigene Sicherheit im Blick gehabt.

Dieser Text ist zuerst bei RP ONLINE erschienen.

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