Und am Ende wird geheiratet Zum Tod der Schriftstellerin Jane Austen vor 200 Jahren

Jane Austens Heldinnen folgen ihrem Herzen und nicht gesellschaftlichen Arrangements. Die Romanstoffe der vor 200 Jahren gestorbenen britischen Schriftstellerin finden auch heute noch ihr Publikum, nicht zuletzt im Kino und im Fernsehen.

 Die neue 10-Pfund-Note schmückt ein Porträt der Schriftstellerin.

Die neue 10-Pfund-Note schmückt ein Porträt der Schriftstellerin.

Foto: picture alliance / dpa

Um ihren neuen 10-Pfund-Schein vorzustellen, dessen eine Seite Jane Austen zeigt, legt die Bank von England ein gehöriges Maß an Traditionsbewusstsein und Stilempfinden an den Tag: Für den 18. Juli lädt sie zur Premiere in eine der größten Kirchen Englands, in die Kathedrale von Winchester. Dort wurde Jane Austen beigesetzt; die Schriftstellerin starb vor 200 Jahren, am 18. Juli 1817. Sie wurde nur 41 Jahre alt.

Die Inschrift auf dem Grabstein aus schwarzem Marmor stammt wohl von ihrem Bruder Henry, einem Geistlichen der anglikanischen Kirche, der als Bankier Schiffbruch erlitten hatte. Da heißt es: „Mit der Güte ihres Herzens, der Liebenswürdigkeit ihres Wesens und den außergewöhnlichen Begabungen ihres Verstands errang sie die Achtung ihrer Bekannten und die herzlichste Liebe ihrer engeren Angehörigen. Ihre Zuneigung ist das Maß unserer Trauer, ihr Verlust ist unersetzlich.“

In einem anderen Nachruf psalmodiert Henry über seine Schwester: „Nie sprach sie ein unüberlegtes, leichtfertiges oder strenges Wort. Ihre Ansichten entsprachen genau denen der englischen Hochkirche.“

Wenn das denn mal so stimmt. Es fällt schon auf, dass Jane Austen, die mit ihrem Romanen wie „Stolz und Vorurteil“ oder „Verstand und Gefühl“ bis heute auf eine große Leserschaft vertrauen kann und speziell in England Kultstatus besitzt, in all diesen Nachrufen als Schriftstellerin nicht vorkommt. Als hätte sie nicht eine einzige interessierende Zeile zu Papier gebracht. Jane Austen wurde zurechtgestutzt, zur netten, gottergebenen, jüngferlichen Dame vom Lande. Aber genau das war sie nicht.

Die Bank von England gerät in die Kritik

Es ist nicht einfach, sich von Jane Austen ein Bild zu machen. Das hat gerade auch die Bank von England erfahren. Für ihre neue 10-Pfund-Note, auf der Jane Austen den bislang in Umlauf befindlichen Charles Darwin ablöst, hat sich die Bank bei einem Stahlstich von 1870 bedient, der wiederum auf das ein Jahr zuvor entstandene Aquarell eines gewissen James Andrews aus Maidenhead zurückgeht.

Dessen Zeichnung schmückte die erste Austen-Biografie, die ihr Neffe James Edward Austen-Leigh mehr als 50 Jahre nach dem Tod der Tante unter dem Titel „Memoir“ auf den Markt brachte. Da schaut uns ein braves, eher rundliches Gesicht an. Das einzige Porträt von Jane Austen, das zu ihren Lebzeiten entstand, stammt von ihrer Schwester Cassandra. Es zeigt eine Frau mit spitzem Kinn, sehr schmalen Lippen und einem ziemlich kritischen Blick.

Für ihre Bild-Auswahl musste sich die Bank von England heftige Kritik gefallen lassen. Jane Austen sei unerträglich aufgehübscht worden, empörten sich feministische Kreise, zur Puppe degradiert, obwohl sie doch eine „subversive Feministin“ sei. Der britische Streit beleuchtet sehr schön die Schwierigkeiten, die man heute mit einer Einordnung Jane Austens hat: Traditionalisten wie Rebellen beanspruchen die Deutungshoheit für sich, die einen lieben die unterhaltsame Schriftstellerin der ländlichen Idylle, die anderen propagieren die unkonventionelle Gesellschaftskritikerin.

Über alle Auseinandersetzungen hinweg bleibt eines unbestritten: die Eleganz ihres Stils, die hinreißende Fähigkeit, in Dialogen ganze Welten entstehen zu lassen. Dialoge und Kommentare waren ihre Stärke, mit Landschafts- oder Einrichtungsbeschreibungen hat sie ihre Leser keineswegs gelangweilt.

Jane Austen wird am 16. Dezember 1775 im Pfarrhaus von Steventon in der Grafschaft Hampshire geboren. Die große Familie – Jane hat sechs Brüder und eine ältere Schwester, Cassandra, zu der sie eine besondere Beziehung entwickelt – gehört, was ihren gesellschaftlichen Status angeht, zur sogenannten Gentry. Dazu zählt man das gehobene Bürgertum und den niederen Adel. Im deutschen Sprachgebrauch hat sich die Gentry in den letzten Jahrzehnten im Begriff der Gentrifizierung erhalten, der Aufwertung und Modernisierung ganzer Stadtviertel durch zahlungskräftige Eigentümer und Mieter.

Erste literarische Versuche mit zwölf Jahren

Was die Gentry von Jane Austen im England an der Wende zum 19. Jahrhundert anging, so war sie für Frauen eine todtraurige Sache. Bildung und Beruf wurden ihnen zumeist vorenthalten, das Erbe ging an männliche Nachfahren. So blieb das Suchen nach einem halbwegs vermögenden Heiratskandidaten das einzig Spannende im Leben, das sich im übrigen als eine endlose Folge von nutzloser Stickerei, von zierlichem Klavierspiel, von Teegesellschaften, Bällen und ausgiebigen Verwandtenbesuchen darstellte. Wer bei der Heiratssuche leer ausging, war auf die Zuwendungen der Familie angewiesen.

Jane Austen hatte gleichwohl mit ihrem Zuhause Glück. Ihr Vater besaß eine umfangreiche Bibliothek, zu der die kleine Jane relativ früh unbegrenzten Zugang erhielt. Mit zwölf Jahren unternimmt sie erste literarische Versuche, schreibt Sketche, Grotesken, kleine Komödien, die Geschwister, Eltern und Verwandte zu hören bekommen. Vor Jane ist nichts sicher, sie greift ins pralle Leben – samt Verführung, Mord und Betrug.

Dinge lösen sich auf rabiate Art wie in der Geschichte von „Sir William Montague“: „Mr. Brudinell war ein sehr einsichtiger Mann und hatte eine schöne Nichte, in die sich sogleich Sir William verliebte. Aber Miss Arundel war grausam; sie zog einen gewissen Mr. Stanhope vor. Sir William erschoss Mr. Stanhope; die Dame hatte nun keinen Grund mehr, ihn abzuweisen; sie nahm seinen Antrag an.“

Was sich in diesen Geschichten andeutet, wird später verfeinert und zum Stilprinzip erhoben: Jane Austen ist eine genaue Beobachterin ihrer Umwelt; was sie sieht, kommentiert sie spöttisch-lakonisch oder liebevoll-ironisch. Ihre Romane sind immer auch ein Stück Gesellschaftssatire. In ihren Briefen, von denen ihre Schwester Cassandra leider etliche vernichtet hat, findet sich all das wieder, was sie auf den Tanzveranstaltungen der Gentry an Klatsch und Tratsch aufgeschnappt hat: „Mrs Hall aus Sherwood ist gestern mit einem toten Kind niedergekommen, einige Wochen zu früh und zwar infolge eines Schrecks. Ich schätze, sie hat aus Versehen ihren Mann angeschaut.“

Drei Umzüge, keine Heirat

Das Leben der Jane Austen verläuft weitgehend unaufgeregt. Es gibt Umzüge nach Bath, Southampton und schließlich nach Chawton in East Hampshire, wo Jane zusammen mit ihrer Schwester Cassandra und ihrer Mutter die letzten Lebensjahre verbringt. Geheiratet hat sie nie. Einmal soll sie sich in Bath in einen Feriengast verliebt haben, der kurz darauf tödlich verunglückte. Den Antrag eines sechs Jahre jüngeren Verehrers nahm sie an und löste ihn am nächsten Morgen wieder auf. Das war ein bisschen anders als in ihren Romanen. Da steht am Ende immer eine Heirat, manchmal gibt’s auch gleich mehrere davon.

Egal ob Frühwerke wie „Verstand und Gefühl“ oder „Stolz und Vorurteil“ oder späte Romane wie „Mansfield Park“ und „Emma“ – das Finale sieht immer einen positiv beschiedenen Heiratsantrag vor. Damit scheint sich Jane Austen in den Konventionen der Zeit zu bewegen, mit einem ganz wichtigen Unterschied freilich: Ihre Heldinnen folgen ihrem Herzen und nicht den gesellschaftlichen Arrangements. Das war durchaus kühn und kompromisslos gedacht. An ihre Nichte Fanny schreibt die Schriftstellerin: „Alles ist wünschenswerter und erträglicher als eine Heirat ohne Liebe.“

Jane Austen schafft letztlich, was sie sich erhofft hat: Sie wird unabhängig, sie kann von ihrer Arbeit als Schriftstellerin leben. Ihr bereits 1795 angelegter Roman „Verstand und Gefühl“ erscheint 1811 – ohne einen Hinweis auf die Autorin. Es heißt nur: „By a Lady“. Nach einem Jahr ist die erste Auflage verkauft. 1812 folgt „Stolz und Vorurteil“, das Publikum greift erneut begierig zu.

Noch heute, wo man den Stoffen von Jane Austen in unzähligen Verfilmungen und TV-Serien begegnet, ist „Stolz und Vorurteil“ der bevorzugt gelesene Roman der Schriftstellerin; im Vereinigten Königreich kam er bei einer BBC-Umfrage nach dem beliebtesten Werk aller Zeiten hinter Tolkiens „Herr der Ringe“ auf den zweiten Platz.

Den ersten Satz kann jeder Austen-Fan noch im Schlaf herunterbeten: „Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein Junggeselle, der ein beachtliches Vermögen besitzt, zu seinem Glück nur noch einer Frau bedarf.“ Man sieht, es geht wieder um das beliebte Austen-Thema, wir sind wieder auf dem Heiratsmarkt: Vater und Mutter Bennet müssen gleich fünf Töchter unter die Haube bringen.

Eine von ihnen ist Elizabeth, die wahrscheinlich reizvollste und schillerndste Figur, die Jane Austen jemals geschaffen hat und die nach allerlei Irrwegen und Intrigen natürlich ihren Mr. Darcy bekommt: ein junges Mädchen, schön und klug, ein bisschen eitel und hochmütig, stolz und frei heraus, schlagfertig und selbstbewusst. Eine moderne Frau, die auch nach zwei Jahrhunderten noch die Herzen erobert.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort