Junges Theater Bonn Ukrainische Regisseurin entwickelt „Dream of Juliet“ im Jungen Theater Bonn

Bonn · Die junge ukrainische Regisseurin Anastasia Verveiko bereitet das Projekt „Dream of Juliet“ am Jungen Theater Bonn vor. Dafür will sie ein internationales Ensemble zusammenstellen.

 Das „Dream of Juliet“-Team: (von links) Projektleiterin Sofie Busschop, Regisseurin Anastasia Verveiko und JTB-Intendant Moritz Seibert.

Das „Dream of Juliet“-Team: (von links) Projektleiterin Sofie Busschop, Regisseurin Anastasia Verveiko und JTB-Intendant Moritz Seibert.

Foto: Dietmar Kanthak

Zwei reiche Familien in Verona, Montague und Capulet, sind miteinander verfeindet und spielen in der italienischen Stadt Bürgerkrieg. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine seit dem 24. Februar erreicht einen ganz anderen, radikaleren Grad an Grausamkeit und Gewalttätigkeit als Shakespeares etwa 1595/96 entstandene Tragödie „Romeo und Julia“. Doch die 26-jährige ukrainische Regisseurin Anastasia Verveiko macht sich den Stoff zu eigen, um in dem Projekt „Dream of Juliet“ am Jungen Theater Bonn (JTB) Parallelen zwischen dem literarischen Stoff und der Gegenwart herauszuarbeiten und auf der Bühne darzustellen.

Die in Kiew ausgebildete Theatermacherin hat nach Beginn des Krieges von April bis Juni als Regieassistentin an der Staatsoper in Stuttgart gearbeitet. Das Programm „Hope for Peace“ des Beethoven-Hauses ermöglichte ihr danach den Aufenthalt in Bonn. Schnell war der Kontakt zum Intendanten des Jungen Theaters Bonn (JTB), Moritz Seibert, hergestellt; er zeigte sich aufgeschlossen für ein internationales Schauspielprojekt. „Dream of Juliet“ entwickelt sich dank einer Förderung der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien und des Deutschen Bühnenvereins.

Warum Shakespeare, warum „Romeo und Julia“? Jeder Jugendliche kenne das weltberühmte Stück, sagt Verveiko im Gespräch im Foyer des Theaters. Sie nennt auch sofort das Thema Gewalt und die Folgen für junge Menschen. Das Drama will sie „durch das Prisma unserer Wirklichkeit“ betrachten. Zusammen mit einer internationalen Schauspielertruppe im Alter von 15 bis 20 Jahren, die sich aus Ukrainern, Deutschen und Menschen anderer Nationalitäten zusammensetzen soll, will sie eine Geschichte aus den Zeiten des Krieges erzählen: ein Teil davon stammt aus Shakespeares Feder, andere Elemente entstehen aus persönlichen Erfahrungen der Jugendlichen. Am Donnerstag lädt das JTB Interessierte zu einem Info-Treffen im Theater ein.

Ort der Handlung: eine Schule

Wenn Verveiko von ihrem Projekt spricht, entstehen vor dem geistigen Auge der Regisseurin offenbar bereits konkrete Bilder. Sie drückt ihre Bühnenfantasien und ihre Ideen vorerst aber noch in engagierten Gesten aus. Ort der Handlung wird nicht mehr Verona sein, sondern eine Schule, die sich in einen Schutzraum verwandelt: Spiegel des Umschlagens von Normalität in eine Extremsituation.

Eine Klasse beschäftigt sich mit „Romeo und Julia“ und wird gleichzeitig mit der Realität von Krieg, Gewalt und Unsicherheit konfrontiert. Es wird „keine traurige, düstere Geschichte“ werden, verspricht Verveiko. Die Hoffnung lebt. Theaterchef Seibert wünscht sich eine in vielerlei Hinsicht offene und vielsprachige Produktion. Englisch, Deutsch, Ukra­inisch – alles möglich.

Szenische Lesung im Dezember

Nachdem sich im Oktober das Ensemble gefunden haben wird, startet die Entwicklungsphase, an der bereits eine Kreativkraft für Bühne, Kostüme und Visuelles beteiligt ist sowie ein Komponist für Sounddesign und Musik. Im Dezember soll das Stück bei einer szenischen Lesung öffentlich präsentiert werden. Die Premiere könnte im Mai oder Juni 2023 folgen.

Verveiko empfindet Dankbarkeit für die materielle Unterstützung, die sie erfährt, und die Möglichkeit, in Bonn zu arbeiten. Die Stadt gefällt ihr, sie hat sich schon gut eingelebt und lernt intensiv Deutsch. Mit ihrer Familie ist sie in stetem Kontakt, zum Beispiel mit der Schwester, die auf der Krim wohnt: „Ich weiß nicht, wann ich sie wiedersehe.“ Ihre größte Hoffnung: dass der Krieg endet und sie mit neuen Erfahrungen in die Heimat zurückkehren kann.

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