Gesetzentwurf Veranstalter sehen ihre Existenz bedroht

Berlin. · Die große Koalition will Ticket-Inhaber ausgefallener Konzerte oder Theaterstücke mit einer Gutscheinlösung per Gesetz absichern. Viele Veranstalter sehen ihre Existenz bedroht.

  Robbie Williams tritt während der jährlichen Benefizgala «Ein Herz für Kinder» auf.

Robbie Williams tritt während der jährlichen Benefizgala «Ein Herz für Kinder» auf.

Foto: dpa/Jens Meyer

Endlich. Herbert Grönemeyer in der Berliner Waldbühne, die Rolling Stones im Olympiastadion oder Robbie Williams in Bonn, Köln oder Düsseldorf. Auf die Karten gespart, auf das Ereignis hingefiebert und dann: Abgesagt wegen Corona. Hunderttausende Menschen in Deutschland werden in diesem Jahr nicht in Konzerte, nicht ins Theater, Millionen nicht mehr in Fußballstadien oder große Sporthallen gehen können, weil Großveranstaltungen bundesweit abgesagt sind, zunächst bis zum 31. August, aber womöglich auch darüber hinaus.

Der Spaß ist weg, in vielen Fällen zunächst auch das Geld. Doch nun hat die große Koalition am Mittwoch im Bundestag einen Gesetzentwurf eingebracht, mit dem CDU, CSU und SPD Verbrauchern ihr Recht auf die entgangene Leistung zurückgeben wollen, ohne damit Konzert-, Theater- oder Sportveranstalter in eine noch größere finanzielle Schieflage zu bringen, als diese durch Corona ohnehin bereits sind. Denn die Kultur- und Kreativwirtschaft ist durch Veranstaltungsabsagen, wegbrechende Einnahmen aus Ticketverkäufen oder den ersatzlosen Wegfall von Gagen besonders hart getroffen.

Die große Koalition hat nun den „Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Veranstaltungsrecht“ vorgelegt, mit dem Union und SPD einen Kompromiss zwischen den Interessen der Veranstalter und der Karteninhaber erreichen wollen, für Millionen Verbraucher dann auch gesetzlich verbrieft. Es gilt für alle Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Eintrittskarte.

Existenzbedrohende Situation

Bisher wären Inhaber von Eintrittskarten nach geltendem Recht berechtigt, vom Veranstalter die Erstattung des jeweiligen Eintrittspreises zu verlangen. Doch die „Veranstalter und Betreiber wären in einem solchen Falle mit einem erheblichen Liquiditätsabfluss konfrontiert“, heißt es in dem Gesetzentwurf.

Für viele Veranstalter, die wegen Corona kaum oder keine Einnahmen haben, sei „eine existenzbedrohende Situation“ entstanden. Reihenweise Insolvenzen würden – neben nachteiligen Folgen für die Gesamtwirtschaft und das kulturelle Angebot im Lande – „voraussichtlich auch dazu führen, dass viele Inhaber von Eintrittskarten oder Nutzungsberechtigungen keine Rückerstattung erhalten würden“.

Die Fraktionen von Union und SPD schlagen in ihrem Gesetzentwurf, über den der Bundestag am Mittwoch in erster Lesung beriet, nun eine Gutscheinlösung vor.

„Die Veranstalter von Freizeitveranstaltungen werden berechtigt, den Inhabern der Eintrittskarten statt der Erstattung des Eintrittspreises einen Gutschein zu übergeben“, heißt es. Der Gutschein könne dann eingelöst werden, wenn etwa das ausgefallene Konzert oder das Theaterstück nach Ende der Kontaktbeschränkungen für Großveranstaltungen nachgeholt werde – oder eben für eine alternative Veranstaltung.

Gutscheinlösung

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hatte den Gesetzentwurf begrüßt. Die Gutscheinlösung berücksichtige die Interessen der Veranstalter ebenso wie der Kunden. Die Aussicht auf ein kulturelles Erlebnis bleibt erhalten, und Veranstalter würden vor Liquiditätsengpässen bewahrt. Ein Sprecher von Grütters verwies auf eine Erklärung etwa des Beethoven-Festes Bonn, wonach Karteninhaber ihren Kartenpreis zur Unterstützung von Künstlern auch spenden könnten, statt ihn zurückzufordern.

Ansonsten werde der Kartenpreis aber auch rückerstattet. Zudem könnten Tickets für einen alternativen Konzerttermin für das Beethoven-Fest im September umgebucht werden. 40 deutsche Klassik-Musikfestivals haben nun in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Grütters die Gleichbehandlung ihrer Veranstaltungen mit Sport, Kirchen und Wirtschaft im Falle einer möglichen Öffnung für Publikum gefordert. Auch Kulturveranstaltungen könnten strenge Hygiene- und Abstandsregeln umsetzen.

Neben der Gutscheinlösung enthält der Gesetzentwurf der Groko aber auch die Option, sich doch Geld auszahlen zu lassen. „Der Inhaber des Gutscheines kann jedoch die Auszahlung des Gutscheinwertes verlangen, wenn die Annahme eines Gutscheins für ihn aufgrund seiner persönlichen Lebensverhältnisse unzumutbar ist oder wenn der Gutschein nicht bis zum 31. Dezember 2021 eingelöst wird.“ Millionen Verbraucher, die für Kunst, Kultur, Konzert, Theater oder Sport, Eintrittskarten gekauft haben, aber nun keine Leistung für ihr Geld sehen, könnten so doch noch zu ihrem Recht beziehungsweise zu ihrem Eintrittsgeld kommen.

Eine solche „Härtefall-Klausel“ soll nach den Worten des SPD-Rechtsexperten Johannes Fechner greifen, wenn ein Gutschein für jemanden wirtschaftlich unzumutbar sei, weil er mittlerweile das Geld brauche. Dann soll der Ticketpreis ausgezahlt werden. Davon könnten auch viele Fußball-Fans als Inhaber von Saison-Dauerkarten profitieren, die für gesamte Saison bezahlt haben, aber für die ausstehenden neun Spieltage nicht mehr ins Stadion dürfen.

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