Tanz Von Bach bis Bowie

Köln · Das Complexions Contemporary Ballet eröffnet das 32. Kölner Sommerfestival in der Philharmonie mit einem bemerkenswerten Abend

Tanz: Von Bach bis Bowie
Foto: Bradford

Er ist groß. Er ist klein. Er ist männlich und weiblich. Seine Haut ist hell oder dunkel oder noch dunkler. Wenn sieben so dergestalt unterschiedliche Tänzer des Complexions Contemporary Ballet in die Rolle von David Bowie schlüpfen, ist die Botschaft klar: in jedem von uns steckt ein Stück der Pop-Ikone. Ganz gleich, wie wir aussehen oder wer wir sind. Die Hommage an den Meister der vielen Facetten trägt den Titel „Star Dust“. Bei der Vorpremiere am Dienstag in der Philharmonie lässt sie glitzernden Sternenstaub auf ein begeistertes Publikum regnen. Und krönt damit ein zweiteiliges, kontrastreiches Programm, mit dem am Mittwoch das „32. Kölner Sommerfestival“ eröffnet wurde.

Noch bis Sonntag ist die 1994 gegründete Company in Köln zu Gast. Ihrem Ruf, zu einer der innovativsten und aufregendsten Tanzcompanys der USA zu gehören, werden die Amerikaner unbedingt gerecht. Sie sind Grenzgänger und Grenzeneinreißer. Wagemutige Kreative, die, ohne jede Berührungsangst oder Angst vor dem, was zusammen nicht gehen könnte, Stile, Zeiten und Genres miteinander kombinieren oder kontrastieren. Bester Beweis: ihre tänzerische Reise, die sie „From Bach to Bowie“ führt.

Puristische erste Hälfte

Ein hochkarätiger Zweiteiler, der die Choreografien „Bach 25“ (2018) und „Star Dust“ (2016) von Company-Mitbegründer Dwight Rhoden hintereinander setzt. Was schade ist: der erste, 35-minütige Teil verblasst hinter dem zweiten, 50-minütigen. Was nicht nur an der Pause dazwischen liegt. Sondern daran, dass die erste Hälfte wesentlich puristischer ausfällt. Hier wehen weder Vorhänge aus Goldlammée, noch werden Plateausohlen untergeschnallt oder mit Licht Effekte erzielt, die an ferne Galaxien oder Bars im Rotlichtbezirk erinnern.

Die Kostüme in farblich aufeinander abgestimmter Latex-Metalloptik haben nichts von der popigen Bowieschen Buntheit, die hinterher den Glam-Rock in asymmetrische Pfauenfantasien hüllt. Vielmehr befördern sie den Eindruck der Nacktheit – im Sinne von bar jeden Schnörkels. Hier konzentriert man sich auf das Wesentliche, auf die Musik von Johann Sebastian Bach und Carl Emmanuel Bach, und auf das, was sie ausdrücken, was sie auslösen kann. Ein Meisterwerk, das den Minimalismus, den es scheinbar propagiert, ad absurdum führt.

Zu den barocken Klängen von Cello, Klavier, Violine, Cembalo und Chor agieren die bis zu 14 Tänzer absolut synchron und in klassischer Perfektion. Um dann in ein spielerisches Auffächern feenhafter Paarungen zu wechseln und in Vignetten die ganze Gefühlskala von Trauer über Triumph bis hin zur Seligkeit von Kindern abzubilden.

Ein Anspieler von „Warszawa“ (1977) genügt – und schon ist man mittendrin in der Welt von David Bowie. In der die Tänzer zu „Heroes“ werden, zu „Lazarus“ oder zu „Young Americans“, zu modernen Liebenden, zu Marsbewohnern oder zu Models. Die, wenn sie auf Spitze tanzen, wirken, als trügen sie High Heels. Sich in den Hüften wiegend, sehr sexy und sehr selbstbewusst. Die androgyne Jillian Davis wird man sich merken müssen. Sie ist nicht nur optisch die Größte.

Complexions Contemporary Ballet: „Star Dust – From Bach to Bowie“, bis Sonntag, 21. Juli, Philharmonie Köln. Vorstellungen: Do. und Fr., 20 Uhr, Sa. 15 und 20 Uhr, So. 14 Uhr. Infos: www.koelnersommerfestival.de

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