Kreationisten-Museum in Kentucky Vorhölle mit Vergnügungspark

Im 27 Millionen Dollar teuren Kreationisten-Museum im US-Bundesstaat Kentucky erklären evangelikale Christen ihren Besuchern die Welt. Jetzt wurde in eine 100 Millionen Dollar teure Arche Noah investiert.

 Eine der Botschaften des Kreationisten-Museums lautet: Die moderne Welt ist verführerisch, von Grund auf böse und voller Gefahren vor allem fürjunge Menschen. Vom Machtwechsel in Washington erhofft sich das technisch aufwendige „Disneyland für Darwin-Gegner“ neue Besucherströme.

Eine der Botschaften des Kreationisten-Museums lautet: Die moderne Welt ist verführerisch, von Grund auf böse und voller Gefahren vor allem fürjunge Menschen. Vom Machtwechsel in Washington erhofft sich das technisch aufwendige „Disneyland für Darwin-Gegner“ neue Besucherströme.

Foto: Sabine Mezler

Der Garten Eden liegt in Kentucky, die Arche Noah auch. Und beide haben dieses Jahr etwas zu feiern: das Paradies im Kreationisten-Museum sein zehnjähriges Bestehen, das biblische Schiff – ein 155 Meter langer, 100 Millionen Dollar teurer Nachbau der Arche – den Beginn des ersten richtigen Geschäftsjahres.

Geschaffen wurden beide Attraktionen, die gern auch als „Disneyland für Darwin-Gegner“ bezeichnet werden, von der AiG, der Evangelisten-Gemeinde „Answers in Genesis“ unter der Führung von Ken Ham. Wie der Name schon sagt, nimmt die Organisation die Bibel wörtlich und findet alle Antworten im ersten Buch Mose. Weshalb sie weder Kosten noch Mühen gescheut hat, um Orte entstehen zu lassen, in denen sie ihre Sicht auf die Welt vermitteln und die Menschen vor den vermeintlichen Irrlehren der Evolutionstheorie bewahren kann.

Am Anfang schuf Ham dazu 2007 das Kreationisten-Museum in Petersburg im US-Bundesstaat Kentucky, um (O-Ton) einen „Gegenpol zu den evolutionsgeschichtlichen Ausstellungen zu bilden, die den Geist gegen die Heilige Schrift und Jesus Christus, den Erschaffer des Universums, verdrehen“.

Umgerechnet rund 25 Millionen Euro ließ es sich die Evangelistengemeinde kosten, eine Anlage mit 6000 Quadratmetern Ausstellungsfläche samt Planetarium, 130 teils animierten Figuren sowie 52 Video-Vorführungen zu erbauen und das dazugehörende knapp 20 Hektar große Gelände mit einem „Special effects thrill ride“, ferner einem Streichelzoo, Reitkamelen und Wanderwegen auszustatten – so viel Entertainment muss bei aller Bibeltreue sein. Als Ausstellungsdesigner wurde Patrick Marsh gewonnen, der schon die „King Kong“- und „Der Weiße Hai“-Ausstellungen in den Universal-Studios inszenierte.

Von außen wirkt das Haus – das auch als Zentrum der Gemeinde dient – wie ein unspektakulärer, moderner Museumsbau mit viel Glas, Holz und hohen Decken. Das Mammut-Skelett, das die Besucher in der großen Eingangshalle begrüßt, beeindruckt angemessen, ehe die freundlichen Mitarbeiter, allesamt aktive Gemeindemitglieder (das ist Voraussetzung für den Job) den Weg in die Ausstellung weisen.

Hier nehmen einen die Bilder der großen US-Canyons mit in die Welt der Kreationisten. Denn die Informationstafeln beginnen mit dem Satz „Häufig wird gelehrt, dass ...“, um dem Besucher dann zu erklären, diese Lehre sei falsch. Zum Beispiel die Theorie, dass die Canyons durch Jahrmillionen an Erosion entstanden sind: Das könne nicht sein, da Gott die Erde erst vor rund 6000 Jahren geschaffen habe (sagen die Kreationisten).

So lange dürften die Canyons also nicht gebraucht haben. Mussten sie auch nicht: Denn statt durch eine Unzahl kleinerer, lokaler Fluten entstanden sie alle durch die große Sintflut, mit der Gott in einem Aufwasch die Menschheit strafte, die Canyons formte und auch gleich die Kontinente neu ordnete.

Auf dem weiteren Weg erfährt der Besucher auf plakativste Weise, wohin es führt, wenn man vom rechten Pfad abweicht (in urbane Vorhöllen mit Graffiti, Flackerlicht und schrillen Polizeisirenen), und worin der Grund allen Übels zu finden ist: im blumig inszenierten Sündenfall (rote Plastikschlange, Adam und Eva dezent bedeckt). Und eben jenem Apfel, der die Welt von einem vegetarischen Paradies zu einer räuberischen Umgebung gemacht hat, wie der animierte Dinosaurier mit dem blutverschmierten Maul und das arme tote Tier zu seinen Füßen schaurig verdeutlichen.

Ganz pragmatisch soll Zweiflern an der buchstäblichen Wahrheit der Bibel der Wind aus den Segeln genommen werden. Etwa jenen, die fragen, wie denn Noah auf der Arche so viele Tiere füttern und pflegen konnte: mit hölzernen Fütterungsautomaten natürlich. Wie die aussehen, kann man in den Arche-Räumen des Museums bestaunen, und das tun neben normalen Besuchern immer wieder auch ganze Schulklassen mit ihren Lehrern, für die besondere Pakete geschnürt werden.

Was Vertreter der Wissenschaft naturgemäß schaudern lässt. Einer davon ist Glenn Branch, stellvertretender Direktor des Nationalen Zentrums für wissenschaftliche Erziehung (NCSE), das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Integrität der wissenschaftlichen Lehre gegen ideologische Einflüsse zu verteidigen. „Aus unserer Sicht ist es falsch, Schulkinder verpflichtend in den Gottesdienst einer bestimmten Konfession zu schicken“, erklärt er.

Ein Besuch dieses Museums leiste nicht nur keinen Beitrag zur Wissensvermittlung, sondern könne auch echten Schaden anrichten. „Das Schlimmste daran ist für mich, dass dort Zweifel und Unsicherheit am Wissen über die Evolution geschürt werden, die einen schlechten Einfluss auf das Verständnis der Zusammenhänge haben“, so Branch. Denn an wissenschaftlichen Argumenten seien die Mitglieder der AiG nicht interessiert, selbst schlichte Zeitzusammenhänge würden ignoriert, wenn sie nicht in das Konzept passen.

„Die Sintflut hat nach ihren Angaben um 2348 vor Christus stattgefunden“, nennt er ein Beispiel. „Zu dieser Zeit waren die ersten Pyramiden in Ägypten schon gebaut, andere entstanden wenig später.“ Was zum einen die Frage aufwerfe, wie die schon erbauten Pyramiden die Sintflut samt angeblicher Kontinentaldrift überstehen konnten; zum anderen, wie aus den acht überlebenden Mitgliedern von Noahs Familie so schnell jene Tausende werden konnten, die für den Bau neuer Pyramiden gebraucht wurden.

„Die Gegenargumente dieser Art sind endlos“, so Branch. Aber überzeugte „Junge-Erde-Kreationisten“ stören sich nicht daran. „Wobei“, betont der Forscher, „die absolute Mehrzahl nicht nur der Christen in den USA, sondern auch der Evangelisten und sogar viele Kreationisten mit der Evolutionslehre überhaupt kein Problem haben.“

Wie groß aktuell der Zulauf zu den beiden Horten der Kreationisten-Lehre ist, lässt sich schwer einschätzen. Laut einigen US-Medien soll er in den vergangenen Jahren eher rückläufig gewesen sein. Von offizieller Stelle wird lediglich die Gesamtbesucherzahl seit der Eröffnung publiziert, die liegt zum Beginn des Jubiläumsjahrs bei 1,2 Millionen. Mit der Eröffnung des Schwesterunternehmens „The Ark Encounter“ ist nun für 100 Millionen Dollar eine neue Attraktion geschaffen worden, die weitere Besucherströme in das strukturschwache Kentucky locken soll.

Was auch durchaus zu funktionieren scheint: Auf mehr als 40.000 beziffert das Unternehmen die Besucher in dem mehr als 100 Millionen Dollar teuren Projekt in den ersten Monaten. Im Museum selbst lässt sich deren Zahl an diesem regnerischen Tag im Januar jedoch an zwei bis drei Händen abzählen: Überwiegend Senioren stöbern durch den Garten Eden, vereinzelt Familien mit sehr kleinen Kindern und eine Handvoll Großstadtmenschen, die offensichtlich von der Botschaft kaum überzeugt sind.

Aber mit dem politischen Wechsel in den USA könnte sich auch das bald wieder ändern und mehr Menschen an diesen Ort locken, der „die Bibel als überlegene Autorität in allen Dingen präsentieren (…) und Millionen Hoffnung geben“ will. Immerhin hat sich kein Geringerer als der neue Vizepräsident Mike Pence bereits im Jahr 2002 im Kongress von der wissenschaftlichen Evolutionslehre distanziert.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort