Premiere im Jungen Theater Weder Bestien noch Kuscheltiere

Bonn · Uraufführung im Jungen Theater Bonn: „Ruf der Wölfe“ nach dem Roman von Robert Habeck und Andrea Paluch.

Zarte Love-Story: Isabel Müseler und Felix Bitter in der Uraufführung von „Ruf der Wölfe“.

Zarte Love-Story: Isabel Müseler und Felix Bitter in der Uraufführung von „Ruf der Wölfe“.

Foto: Junges Theater bonn/Thilo Beu

Wölfe haben bei den Menschen keinen guten Ruf. Es gibt unzählige Geschichten über das große Raubtier, das mittlerweile auch in Deutschland wieder anzutreffen ist und für heftige Diskussionen über Schaden und Nutzen der unter strengem Naturschutz sehenden Art hervorruft. Einem echten Wolf begegnet der Schüler Jan bei einem nächtlichen Ausflug in den Wald, was zur Folge hat, dass er Weihnachten erkältet im Bett verbringen muss. Aber auch, dass er seine Erlebnisse nun einem freundlichen Journalisten vom Naturschutzbund erzählen kann.

In ihrem 2001 erstmals erschienenen Jugendroman „Ruf der Wölfe“ erzählen Robert Habeck (inzwischen Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler) und seine Frau Andrea Paluch eine dramatische Geschichte über Freundschaft, Ängste und Vorurteile. Marcel Höfs, der fürs Junge Theater Bonn zuletzt schon „Woodwalkers“  bearbeitete, hat zusammen mit fünf Jugendlichen eine sehr unterhaltsame Theaterfassung geschaffen. Am Freitag gab er damit im Metropol-Kuppelsaal, der endlich wieder nutzbaren JTB-Studiobühne, sein Regiedebüt am JTB. Das Ergebnis gefiel offensichtlich auch der bei der Uraufführung anwesenden Autorin Paluch (völlig unprätentiös, trotz ihrer Funktion als Gattin eines der mächtigsten Männer der Republik) richtig gut.

Von Kindermärchen die Nase voll

Felix Bitter, Jahrgang 2005, spielt in seiner ersten Rolle am JTB den Jan ungemein überzeugend. Ein sensibler Junge, ein bisschen neugierig und waghalsig, aber grundsympathisch. Findet auch seine blitzgescheite Klassenkameradin Clara, hervorragend verkörpert von Isabel Müseler, alternierend mit Katja Gehring. Beide Nachwuchstalente sind ebenfalls JTB-Debütantinnen. Clara, reizend schnippisch und wie alle Mädchen ihres Alters den gleichaltrigen Jungs geistig ein Stück voraus, hat von alten Kindermärchen längst die Nase voll und weiß umso mehr vom Naturschutz und der Lebensweise der Wölfe.

Thomas Kahle, von 2014 bis 2018 festes Mitglied im JTB-Profi-Ensemble, ist als Gast zurückgekehrt und spielt in rasantem Wechsel mit kabarettreifem Elan fast alle Erwachsenenrollen von Jans besorgtem Vater und dem tapferen Bio-Lehrer, dem schießwütigen Jäger und dem verzweifelten Bauern, der seinen Massenstall voller halbtoter Hühner vom bösen Wolf bedroht sieht, bis hin zur irrwitzig grimassierenden Karikatur eines Sensationsreporters, der für eine „Blitzlicht“-Schlagzeile jede Wirklichkeit schamlos verdreht. Matthias Kaufmann begleitet das Ganze musikalisch pfiffig live am Klavier und tritt zudem auch schauspielerisch auf.

Der Wolf erscheint nur als heulender Schatten hinter den weißen Vorhängen, mit denen Annika Garling (Bühne und Kostüme) in ihrer ersten JTB-Produktion die verschneite Landschaft in Schleswig-Holstein (Heimat des Autorenduos Habeck/Paluch) effektvoll markiert. Zugegeben: Dass Jan zwecks Schnitzeljagd zum Geburtstag seiner kleinen Schwester (Antonia hasst Marzipan!) ausgerechnet zehn Marzipanschweinchen besorgt hat, war nicht besonders nett. Es war auch recht unvorsichtig, nach einem heimlichen Kinobesuch spät abends noch in den dunklen Wald zu schleichen.

Ob hungrige Wölfe zur Not auch süße Produkte einer bekannten Lübecker Firma fressen, bleibt zwar ein ungelöstes Rätsel. Jedenfalls steckt Jan bei der mutigen Wolfs-Rettungsmission plötzlich selbst in einer Falle. Scheußlich frierend und ohne Handy. Gleichzeitig fallen zwei Schüsse; ob der totgesagte Wolf sie überlebt, verraten wir hier nicht. Aber der Respekt der supercoolen Clara ist Jan nach dem Abenteuer sicher. Die kleine Love-Story endet also mit einem zarten ersten Kuss.

Dass für die Licht- und Tontechnik Lukas Wolf und Maya Wolff verantwortlich sind, ist dabei ein purer Namenszufall. Sie machen ihre Sache perfekt, ebenso wie das Darstellerquartett in der liebenswürdigen Vorstellung, die mit hellwachem Humor zur realistischen Aufmerksamkeit für die bedrohte Natur ermahnt. Ganz ohne aufgeregt erhobenen Zeigefinger oder klebrigen Aktionismus. Wölfe sind halt keine Schmusetiere, aber auch keine Fabelbestien, die vorzugsweise kleine Kinder oder Großmütter verspeisen. Beglückter Premierenapplaus. Die vom Bonner Spendenparlament  unterstützte Produktion wird empfohlen für Publikum ab zehn Jahren.

Nächste Familienvorstellungen am 2. 12. um 18.30 Uhr und am 3. 12. um 15 Uhr. Beide sind bereits ausverkauft. Tickethotline: 0228-463672. Infos: www.jt-bonn.de

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