Theater in Bonn Werkstatt zeigt "33 Bogen und ein Teehaus"

Bonn · Das Theaterstück „33 Bogen und ein Teehaus“ in der Werkstatt des Bonner Theaters erzählt von einer Flucht aus dem Iran. Das Stück wird empfohlen für Zuschauer ab elf Jahren.

 Einfach kompliziert: Szene mit Mehri (Ramona Suresh, links) und Mehrnousch (Soraya Abtahi).

Einfach kompliziert: Szene mit Mehri (Ramona Suresh, links) und Mehrnousch (Soraya Abtahi).

Foto: Thilo Beu

Von oben sehe ihre Heimatstadt Isfahan aus wie eine Katze, erklärt die kleine Mehrnousch. Es ist eine sehr bildhafte Sprache, in der die Autorin Mehrnousch Zaeri-Esfahani die Geschichte ihrer Flucht aus dem Iran erzählt. Es ist eine wahre Geschichte, poetisch sinnlich berichtet aus der Perspektive eines neugierigen Kindes. Isfahan war wunderschön mit seinem lebensspendenden, mittlerweile ausgetrockneten Fluss Zayandeh Rud, über den die 33-Bogen-Brücke mit ihren stets belebten Teehäusern führte.

Die in Köln lebende freie Regisseurin Carina Eberle, die auch schon mehrfach am Bonner Theater Marabu arbeitete, hat den Roman „33 Bogen und ein Teehaus“, 2016 mit dem Luchs-Buchpreis der Wochenzeitung „Die Zeit“ ausgezeichnet, nun für die Bühne bearbeitet.

Ihre sensible Inszenierung in der Werkstatt geht unter die Haut, obwohl sie sich viele anekdotisch heitere Momente gönnt. Im romantischen Mondschein gaben sich die verliebten Eltern einst auf der 33-Bogen-Brücke das Ja-Wort. Der junge Arzt Hosein (Martin Aselmann) und die Krankenschwester Mehri (Ramona Suresh) bauten ein großes Haus mit Swimmingpool im Garten und träumten von einer glücklichen Zukunft für alle. Mehrnousch (Soraya Abtahi) und ihr älterer Bruder Mehrdad (Steffen Lehmitz) erlebten hier eine unbeschwerte Kindheit.

Sie liebte Gummi-Twist und viele Katzen, er vor allem Schokolade und die Musik von Michael Jackson. Dazu gibt’s in der Choreografie von Ramona Suresh auch schon mal tolle Tanzeinlagen. Quadratische Matratzen mit Persermustern (Ausstattung: Karen Simon) dienen als Mobiliar für die schönste und schrecklichste Zeit.

Die Revolution 1979 und den Sturz des Schahs begrüßten die Erwachsenen voller Hoffnungen auf demokratische Reformen. Bekanntlich kam es anders nach der Machtübernahme von Ajatollah Chomeini.

Emotional und poetisch

Alles, was bisher Freude machte, wird verboten. Frauen dürfen nicht mehr auf öffentliche Plätze, Mehrnousch muss bei ihrer Einschulung ein Kopftuch tragen (berührend: der Bericht, wie ihre Mutter ihr zur Vorsicht den Zopf abschnitt) und lernt im Unterricht schnell das Lügen. Hinter einem transparenten schwarzen Vorhang kriechen gespenstisch die gewaltbereiten Regelüberwacher nach vorn. Per Schattenspiel wird die Angst vor der islamischen Hölle suggeriert. Das kleine Mädchen fragt naiv nach der Bedeutung des Wortes „Hinrichtung“. Als der Krieg mit dem Irak ausbricht und Jungen ab 14 Jahren als Minenräumer und Kindersoldaten verpflichtet werden, ist 1985 klar: Die Familie muss fliehen. Mehrnousch ist zehn Jahre alt, als man in Istanbul ankommt.

Animierte Zeichnungen (Eszter Janka) lassen Ratten und Kakerlaken in der provisorischen Unterkunft herumturnen, während die Kinder spontan Türkisch lernen. Mit einem Visum der damals noch existierenden DDR schafft die Familie es schließlich per Untergrundbahn nach Westberlin. Ausgerechnet am Heiligabend, wo – wie Mehrdad vermutet – eine Naturkatastrophe alles Leben ausgelöscht hat. Es braucht noch einen langen bürokratischen Papierkrieg und allerhand mehr oder weniger heitere Missverständnisse bis zum Neubeginn in Heidelberg.

Die vier Protagonisten spielen dabei zahlreiche weitere Rollen. Die Regie bleibt trotz aller emotionalen Verdichtung auf historisch-poetischer Distanz zur blutigen islamistischen Schauerdramatik und den üblen fremdenfeindlichen Reaktionen. Alles ist weiter so einfach kompliziert, dass Schulpflicht ein echtes Glück bedeutet. Auch das zeigt die Aufführung in pausenlosen knapp 90 Minuten mit viel spielerischem Witz und szenischer Fantasie. Nachdenklich bewegter Premierenbeifall.

Empfohlen für Publikum ab elf Jahren. Nächste Familien-Vorstellungen am 26. Februar und am 1. und 8. April, jeweils 18 Uhr, sowie am 24. März um 16 Uhr. Im Vorfeld der Produktion gab es diverse Interviews mit unterschiedlich Betroffenen. Die sind im Werkstattfoyer zu hören und stehen ab Mitte der nächsten Woche online unter dem Button Hörbar auf der Website www.theater-bonn.de. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops des General-Anzeigers sowie im Internet auf www.ga.de/tickets.

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