CD-Tipp "Babbelou" Wie ein Caipirinha für die Ohren

Bonn · Ein Dämmerschoppen am Strand in Brasilien, Caipirinha in einem schattigen Café: Man weiß nicht, was sich der Posaunist Adi Becker genau gedacht hat, als er „Brazilian Dawn“ komponierte und mit dem wunderbaren Grand Central Orchestra Köln einspielte.

CD-Tipp "Babbelou": Wie ein Caipirinha für die Ohren
Foto: Mons

Latin-Seligkeit und ein Hauch Folklore, Gitarrenriffs, die von Carlos Jobim stammen könnten, treffen auf sanfte Percussion und noch sanftere Bläsersätze, die zu einem breiten urbanen Big-Band-Sound anschwellen, der den Hörer über Boulevards trägt und in kuscheligen Ecken verweilen lässt. Atmosphärisch startet der in Rheinbach lebende Becker (Bonn Jazz Orchestra, Big Band der Bundeswehr) in sein großartiges Album „Babbelou“, das alle Register eines ausdifferenzierten Big-Band-Sounds mit der Präzision und Fantasie einzelner Solisten verbindet.

Becker hat sich – neben dem exzellent besetzten Grand Central Orchestra von Torsten Thomas – Spitzenleute ins Boot geholt: Den hinreißenden kalifornischen Saxofonisten Eric Marienthal, der etwa im funkigen „Finn's Funkout“ zaubert und in Burt Bacharachs 1967 für Dusty Springfield komponiertem Schmuse-Klassiker „The Look of Love“ zusammen mit der Sängerin Jemma Endersby – auch sie ein Gast – für Gänsehautmomente sorgt. Endersby ist auch noch in „Purple Rain“ von Prince zu hören – glänzendes, feierliches Finale des Albums. Eine besondere Stimme und eine tolle Stimmung, mit der die gedämpften Bläser und der schleppende Rhythmus des Grand Central dieser schönen Ballade das passende Fundament geben. Am Ende dann das traumhafte Gitarrensolo von Bandmitglied Roland Büttgen.

Carpenters im neuen Klanggewand

Dass man aus dem Schmachtfetzen der Carpenters „We've Only Just Begun“ noch eine fulminante jazzige, frische Nummer voller Überraschungen machen kann, den Beweis liefert Endersby mit tätiger Unterstützung der Bläser des Grand Central und Becker an der Posaune ab. Ganz großes Kino.

Dritter Gast des „Babbelou“-Projekts: Der Produzent, Musiker und mehrfache Grammypreisträger George Whitty groovt sich geschmeidig und mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit mit dem Synthesizer in den Sound der Big Band hinein und katapultiert den Song „Space Babes“ wirklich in eine andere Dimension.

Becker selbst hat bei „Babbelou“ alle Hände voll zu tun. Er hat nicht nur die meisten Stücke komponiert und arrangiert, er ist auch immer wieder solistisch mit der Posaune aktiv. Und unterstreicht damit seine Klasse. Besonders schön in dem vielleicht spannendsten Stück der Platte mit dem Monstertitel „The Moonlight Can Cause strange Affections“ über die Nebenwirkungen, die das Mondlicht verursachen kann. In unserem Fall sind die Nebenwirkungen gute Laune und ein lockerleichtes Sommergefühl.

Info:Adi Becker: „Babbelou“ (Mons Records). Konzert: Becker spielt mit der Band beim Finale der JazzTube am 13. Oktober im Pantheon, 20 Uhr.

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